Leitsatz (amtlich)
Hat sich ein Versicherer im Vertretervertrag formularmäßig vorbehalten, Bestandsübertragungen u.a. dann vorzunehmen, wenn "die Nichterfüllung dieses Wunsches den Bestand der Versicherungsverträge gefährdet", kommt es insoweit auf diejenige Sachlage an, die sich einem Versicherer nach sorgfältiger Prüfung der ihm zugänglichen Fakten in Bezug auf eine etwaige Kündigung der Versicherungen darstellt, sowie auf eine darauf gründende, (versicherungs-)käufmännische Erfahrung berücksichtigende Prognose.
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 45 O 76/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.5.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Essen wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger war seit dem 1.1.1984 für die Beklagte und die LV H a.G. als Versicherungsvertreter (Agenturinhaber) tätig. Bereits diesem Vertragsverhältnis lagen die "Allgemeinen Vertragsbedingungen" der Beklagten zugrunde, die unter Ziff. "7. Provisionen" u.a. folgende Regelung enthält:
7.2. Kundenbetreuungsprovisionen / Bestandsverwaltungsprovisionen
7.2.1. Für die Verwaltung und Pflege des zur Vertretung gehörenden Versicherungsbestandes und die Betreuung der betreffenden Versicherungsnehmer erhält der Vertreter Kundenbetreuungsprovisionen/Bestandsverwaltungsprovisionen, ...
7.2.2. Während des Bestehens des Vertretervertrages darf die H einzelne Versicherungsverträge oder Gruppen von Versicherungsverträgen ohne Entschädigung des Vertreters aus dem Bestand der Vertretung aussondern, wenn die Versicherungsverträge nicht oder nicht mehr in dem Arbeitsgebiet des Vertreters laufen, ... oder wenn die Versicherungsnehmer es ausdrücklich wünschen und die Nichterfüllung dieses Wunsches den Bestand der Versicherungsverträge gefährdet. ...
Mit Wirkung zum 1.7.2000 wurde zwischen dem Kläger und der LV H a.G. ein weiterer "Vertretervertrag" mit identischen "Allgemeinen Vertragsbedingungen" abgeschlossen.
Der Kläger akquirierte im Jahr 2002 u.a. das Autohaus D (im Folgenden: D), mit dem die Beklagte einen Rahmenvertrag schloss, dessen Ausgestaltung auch auf Vorschlägen des Klägers, insbesondere zur Bemessung der Prämien, basierte. Auf der Grundlage dieses Rahmenvertrags, der in mehrfacher Hinsicht von der seitens der Beklagten ansonsten angebotenen H Autohauspolice (HAuP) abwich, wurden Dutzende von Einzelverträgen bezüglich der Niederlassungen bzw. Tochterunternehmen der D geschlossen. Der Kläger erhielt eine Provision in Höhe von 13,34 % der jährlichen Prämienzahlung; er war auch mit der Erstellung der Beitragsrechnungen und dem Inkasso betraut, wofür er eine (zusätzliche) Provision in Höhe von 1 % des Bruttobeitrags erhielt. Für die D war - nach Darstellung des Klägers (Bl. 162) - seit etwa 2010 der Versicherungsmakler U GmbH (im Folgenden: U) zunächst nur auf der Grundlage eines "Auskunftsmandats" tätig, im Rahmen dessen er von der Beklagten auch in 2015 Unterlagen zur Einsicht erbat. Der (Mit-)Geschäftsführer U2 der U ist Schwiegersohn des (seinerzeitigen) Aufsichtsratsvorsitzenden der D Dr. D2.
Am 18.8.2015 erhielt der Kläger eine Mitteilung des Vorstandsvorsitzenden C der D folgenden Inhalts:
"... wie Sie wissen, sind wir stets daran interessiert unser Kosten zu optimieren. Der Bereich Versicherungen ist mit einem jährlichen Beitragsvolumen von rd. 519.081,- EURO ein immer zu hinterfragender Kostenblock. Wir haben ein Angebot eines Maklers, alle Versicherungen zu übernehmen. Er garantiert uns eine Beitragssenkung von rd. 20 % d.h. 103.816,- EURO p.a. bei gleichen Versicherungsbedingungen. Wir stehen kurz vor einer Entscheidung. ..."
Der Kläger antwortete darauf noch am selben Tag (Anl. K16), wobei er darauf hinwies, der "bisherige Jahresbeitrag" reduziere sich "ohnehin um 20 %", nämlich aufgrund einer mit Dr. D getroffenen Sondervereinbarung um 10 % und aufgrund der vertraglichen Gewinnbeteiligung um weitere 10 %.
Mit E-Mail vom 8.9.2015 setzte die Beklagte (dort Herr T für die Abteilung "Kraftfahrt Privat- und Unternehmerkunden Gewerbliche, industrielle Produkte") den Kläger wie folgt in Kenntnis:
... Wie bereits berichtet hat der Makler U mittels eines Auskunftsmandats Schadenverläufe bei uns angefordert. ...
Desweiteren haben wir der Maklerdirektion mitgeteilt, dass es sich um ein exklusives Produkt handelt, welches wir nicht auf einen anderen Vertriebsweg übertragen können. Die Abrechnungsmodalitäten / Vereinbarungen etc. bei diesem Konzept können nicht 1:1 abgebildet werden. Bei einer Übertragung müsste daher auf die heutige H Autohauspolice (HAuP) umgestellt werden. ...
Unter dem Datum des 18.9.2015 unterzeichneten der (seinerzeitige) Vorst...