Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 2 O 203/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.6.2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger streitet mit der beklagten X um die Wirksamkeit und die Folgen des am 13.11.2014 erklärten Widerrufs zweier Immobiliardarlehensverträge vom 26.8.2003 und vom 26.4.2007.

Wegen der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, wegen der in erster Instanz gestellten Anträge und wegen der Entscheidungsgründe des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie zunächst die Unzulässigkeit der Feststellungsanträge geltend macht. In der Sache greife zu ihren Gunsten die Gesetzlichkeitsfiktion wegen Verwendung des Musters der BGB-InfoVO ein. Den Vertrag aus dem Jahre 2007 habe das Landgericht zu Unrecht als eigenständigen Darlehensvertrag angesehen, weil es entgegen höchstrichterlicher Rechtsprechung nur auf formale Kriterien abgestellt habe. Ferner seien etwaige Widerrufsrechte insbesondere wegen der seit langem erfolgten Rückführung der Darlehen verwirkt gewesen. Sie seien außerdem auch in entsprechender Anwendung des § 218 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. der Verweisung in § 357 Abs. 1 S. 1 a. F. BGB ausgeschlossen, weil die Ansprüche auf ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung verjährt seien. Annahmeverzug sei nicht gegeben, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt seine eigene Leistung Zug um Zug angeboten habe. Vorgerichtliche Anwaltskosten hätten deswegen auch nicht zugesprochen werden dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise - für den Fall der Unzulässigkeit des Antrages auf Feststellung der Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse - mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.411,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 28.3.2017 zu zahlen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und verfolgt mit dem Hilfsantrag die Ansprüche aus den Rückgewährschuldverhältnissen nunmehr in bezifferter Form. Nach von ihm erklärter Aufrechnung der wechselseitigen Anspruchspositionen habe die Beklagte noch die von ihr aus seinen Zins- und Tilgungsleistungen gezogenen Nutzungen herauszugeben. Diese seien in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszins zu vermuten und beliefen sich danach bis zum Widerrufszeitpunkt für das Darlehen aus 2003 auf 13.942,92 EUR und für das Darlehen aus 2007 auf 16.468,14 EUR.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist in der ursprünglich erhobenen Form mit den beiden Feststellungsanträgen unzulässig. Für den Antrag, die Umwandlung der Darlehensverträge in Rückabwicklungsschuldverhältnisse festzustellen, fehlt wegen des Vorranges der grundsätzlich möglichen Leistungsklage das Feststellungsinteresse (vgl. BGH XI ZR 467/15 v. 21.2.2017, Juris-Rn. 11-22; XI ZR 183/15 v. 24.1.2017, Juris-Rn. 11-15). Die Feststellung eines Annahmeverzuges "mit der Rückabwicklung" ist unzulässig, weil es sich bei Annahmeverzug nicht um ein Rechtsverhältnis handelt, sondern nur um eine gesetzlich definierte Voraussetzung verschiedener Rechtsfolgen, und der anerkannte Ausnahmefall, dass mit der Feststellung eine Zug-um-Zug-Vollstreckung erleichtert werden soll (vgl. BGH XII ZR 41/98 v. 31.5.2000, Juris-Rn. 22-24), nicht vorliegt.

Die hilfsweise Änderung des ersten Feststellungsantrages in einen Zahlungsantrag in der Berufungsinstanz ist zwar zulässig.

Sie ist sachdienlich, um den zwischen den Parteien bestehenden Streit umfassend zu erledigen, und kann i. S. d. § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Soweit es sich dabei um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel handelt, sind sie nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil ihre Nichtgeltendmachung in erster Instanz nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruht. Da bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens die oben zitierten BGH-Entscheidungen noch nicht ergangen waren, die Zulässigkeit des Feststellungsantrages verbreiteter obergerichtlicher Rechtsprechung entsprach und das Landgericht auch keinen gegenteiligen Hinweis erteilt hatte, durfte der Kläger davon ausgehen, seine Ansprüche aus den Rückgewährschuldverhältnissen nicht in bezifferter Form geltend machen und deswegen auch nicht dazu vortragen zu müssen.

Sofern die hilfsweise Klageänderung...

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