Leitsatz (amtlich)
1. Die Annahme eines deckungsgleichen und infolgedessen eine Ersatzfähigkeit ausschließenden Vorschadens scheidet aus, wenn es sich bei dem Vorschaden um eine normale und im Übrigen bloße optische Gebrauchsspur ohne jede Auswirkung auf die Funktionalität handelt.
2. Insoweit ist allenfalls ein Abzug "neu für alt" vorzunehmen, der jedoch - hier verneint - voraussetzt, dass bei dem Geschädigten eine messbare Vermögensvermehrung eintritt, die sich für ihn wirtschaftlich günstig auswirkt, wobei die Darlegungs- und Beweislast den Schädiger trifft.
3. Zur Annahme eines die Erstattungspflicht von Sachverständigenkosten ausschließenden Bagatellschadens (hier verneint).
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 1 O 132/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.07.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg (Az.: 1 O 132/20) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.
Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts Soest vom 12.02.2020 (Az. 12 C 215/19) wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.684,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 1.447,46 EUR seit dem 24.11.2019 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 237,00 EUR seit dem 03.03.2020 zu zahlen sowie den Kläger von einer Anwaltskostenforderung seiner Bevollmächtigten in Höhe von 106,74 EUR freizustellen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 21 % und der Beklagte zu 79 % mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.02.2020 veranlassten Kosten. Diese trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus §§ 7, 18 Abs. 1 StVG ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.684,46 EUR nebst Zinsen im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang sowie ein Anspruch auf Freistellung von einer Anwaltskostenforderung seiner Bevollmächtigten in Höhe von 106,74 EUR zu. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers unbegründet und es verbleibt bei der Klageabweisung durch das Landgericht.
1. Die volle Haftung des Beklagten dem Grunde nach für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 20.07.2019 steht unter den Parteien nicht im Streit.
2. Der Höhe nach steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz von zur Schadensbehebung aufgewandten und erforderlichen Brutto-Reparaturkosten in Höhe von 1.018,43 EUR über § 249 Abs. 1 und 2 BGB zu.
Unter Zugrundelegung des erstinstanzlich eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie der erläuternden und ergänzenden mündlichen Ausführungen des Sachverständigen A im Senatstermin vom 28.06.2022 steht zweifelsfrei fest, dass die Kontaktspuren am lackierten Heckstoßfänger im Bereich des linken Rückstrahlers sowie das Lösen der Kantenschutzleiste unfallbedingt entstanden sind, während es sich bei der Beschädigung an der separaten Heckstoßfängerblende und den Kratzspuren auf dem Heckstoßfänger um Vorschäden handelte; denn diese beiden Schadensbereiche lagen fahrzeugmittig und damit außerhalb des Anstoßbereichs.
Der Schaden an der Heckstoßfängerblende als separatem Bauteil ist sowohl technisch als auch rechnerisch von dem aus dem streitgegenständlichen Unfall herrührenden Schaden abgrenzbar und kann bei der Schadensberechnung unproblematisch in Abzug gebracht werden, wonach unfallkompatible Brutto-Reparaturkosten in Höhe von 1.018,43 EUR verbleiben.
Anders als im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt steht der Ersatzfähigkeit dieser Reparaturkosten, die durch die Instandsetzung der unfallbedingt linksseitig entstandenen Beschädigung des Heckstoßfängers entstanden sind, nicht entgegen, dass sich in dessen mittlerem Bereich bereits vor dem Unfall Kratzspuren befanden, die durch die Reparatur ebenfalls beseitigt wurden. Wie der Sachverständige im Senatstermin ausgeführt hat, handelte es sich insoweit um normale und im Übrigen bloße optische Gebrauchsspuren ohne jede Auswirkung auf die Funktionalität des Stoßfängers. Die Annahme eines deckungsgleichen und infolgedessen eine Ersatzfähigkeit ausschließenden Vorschadens an dem Heckstoßfänger scheidet damit aus. Soweit die Kratzspuren im Rahmen der Reparatur des linksseitigen Unfallschadens zwangsläufig durch die Neulackierung ebenfalls beseitigt wurden, stellt sich allenfalls die Frage eines Vorteilsausgleichs im Sinne eines Abzugs "neu für alt".
Die Vornahme eines solchen Abzugs "neu für alt" setzt allerdings u.a. voraus, dass bei dem Geschädigten eine messbare Vermögensvermehrung eintritt, die sich für ihn wirtschaftlich günstig auswirkt, wobei die Darlegungs- und Beweislast den Schädiger - mithin vorliegend den Beklagten - trifft (vg...