Leitsatz (amtlich)
1) Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft Ungewissheit und Sicherungsbedürfnis müssen gegenständlich kongruent sein.
2) Besteht die Ungewissheit der Erbfolge nur in der Auslegungsfrage, ob ein Beteiligter über ein ihm unstreitig zugewandtes Hausgrundstück hinaus als Alleinerbe für den Gesamtnachlass eingesetzt ist, kann eine Nachlasspflegschaft nicht angeordnet werden, um aus dem Barvermögen Sanierungskosten für das Hausgrundstück decken zu können.
Normenkette
BGB § 1960
Verfahrensgang
AG Detmold (Beschluss vom 06.05.2010; Aktenzeichen 11 VI 808/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin war verheiratet mit I2, der am 9.8.2001 vorverstorben ist. Aus der Ehe sind die Beteiligten zu 1) und 2) sowie die ebenfalls vorverstorbene F F1 geb. I2 hervorgegangen. Deren Kinder sind die Beteiligten zu 3) und 4).
Am 26.9.1980 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein handschriftlich verfasstes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt:
"Gemeinschaftliches Testament
Wir, die Eheleute I2, geb. 6.10.1902 in C2 und G I2, geb. E, 6.3.1916 in C/I1, wohnhaft in I 3, I-Weg Nr. 16, setzen uns gegenseitig hinsichtlich unseres unbeweglichen Vermögens (Haus und Grundstück I-Weg Nr. 16) sowie hinsichtlich unseres beweglichen Vermögens, jedoch mit Ausnahme des sich auf unserem persönlichen oder Sparkassenkonten befindlichen Geldes, als Erben ein.
Es ist unser Wunsch, dass unser Haus nebst Grund und Boden auch nach unserem Tode innerhalb der Familie (Familienname I2) verbleibt. Nach dem Tode des Überlebenden soll der vorbezeichnete Teil des Nachlasses daher unseren Sohn I2, geb. 28.8.1950 fallen.
Sollte I2 zu diesem Zeitpunkt bereits vorverstorben sein, soll an seine Stelle unser Enkelkind T I2, geb. am 25.12.1979 treten.
Unser Sohn I2 ist verpflichtet, zum Zeitpunkt des Erbfalls an ihn, einen Betrag von je 10 000 DM an seine Geschwister I3 und F zu zahlen.
(...)
I 3 (G1) 26.9.1980
G1, 26 September 1980 I2
Das obige Testament entspricht auch meinem Willen.
G I2 geb. E"
Nach dem Tode der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1) am 3.7.2009, ihm aufgrund des vorgenannten Testaments einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist. Dem traten die Beteiligten zu 2) bis 4) mit der Auffassung entgegen, dass die drei Kinder der Erblasserin in dem Testament als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt worden seien; an die Stelle der vorverstorbenen Tochter F seien die Beteiligten zu 3) und 4) getreten. Sie beantragten deshalb die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/3 und die Beteiligten zu 3) und 4) zu je 1/6 als Erben ausweist. Über die Anträge hat das Nachlassgericht bisher nicht entschieden.
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 11.12.2009 beantragte der Beteiligte zu 1) die Bestellung eines Nachlasspflegers gem. § 1960 BGB. Denn dem zum Nachlass gehörenden Wohnhaus drohe Schaden durch eindringendes Wasser und Funktionsstörungen an der Heizungsanlage. Ferner müssten die Verkehrssicherungspflicht gewährleistet sowie laufenden Hauskosten und Nachlassschulden beglichen und die Einkommensteuererklärung 2008 abgegeben werden. Die Beteiligten zu 2) bis 4) traten dem im Wesentlichen mit der Erwägung entgegen, dass der Beteiligte zu 1) aufgrund des ihm in dem Testament zugewandten Hausgrundstücks etwaige Maßnahmen selbst veranlassen könne.
Durch Beschluss vom 6.5.2010 ordnete das AG die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben an. Zur Nachlasspflegerin bestellte das AG die Beteiligte zu 5) mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Ferner stellte das AG fest, dass die Nachlasspflegschaft berufsmäßig geführt werde.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) vom 20.5.2010. Sie machen geltend, dass ein für die Bestellung eines Nachlasspflegers erforderliches Sicherungsbedürfnis, welches von vorneherein nur das Hausgrundstück und nicht den Nachlass insgesamt betreffen könne, nicht gegeben sei. Denn etwaige Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen an der Immobilie könne der Beteiligte zu 1), was der bereits erfolgte Einbau einer neuen Heizungsanlage zeige, selbst durchführen.
Der Beteiligte zu 1) verteidigt den angefochtenen Beschluss und hat zur Verdeutlichung erforderlicher Sicherungsmaßnahmen mehrere Lichtbilder zu dem Gesamtzustand des Hauses vorgelegt.
Das AG hat den Beschwerden mit Verfügung vom 25.5.2010 nicht abgeholfen und sie dem LG Detmold zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Sache dem OLG zur Entscheidung übersandt.
II. Die Beschwerden sind nach den §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 FamFG, die in dem vorliegenden Verfahren gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 FGG-RG zur Anwendung kommen, statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt. Der erforderliche Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG ist nach dem erkennbaren vermögenswerten Interesse der Beteilig...