Leitsatz (amtlich)
1. § 5 StVO schützt nicht den -untergeordneten- Querverkehr, sondern lediglich den gleichgerichteten Gegenverkehr.
2. Bei Vorliegen eines Schienbeinkopfbruches, einer distalen Außenknöchelfraktur, multiplen Hautabschürfungen im Bereich des rechten Oberschenkels und einem Kompartmentsyndrom mit operativer Reposition und 5monatiger Anbringung eines Fixateurs und anschließend verbleibender Einschränkung des verkürzten Beines bei einer Spitzfußstellung von 25 Grad und zögerlicher Regulierung, ist ein Gesamtschmerzensgeld von 45.000,- EUR angemessen.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1; StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 176/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.01.2018 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, 1.512,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2015 und ein Schmerzensgeld in Höhe von 32.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2015 als Gesamtschuldner an den Kläger zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche Schäden, die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 08.11.2012 in ... C-M auf der Kreuzung S-straße/X-Straße entstehen, insbesondere zukünftigen Verdienstausfall, als Gesamtschuldner zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 39 % und die Beklagten zu 61 % als Gesamtschuldner.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 7 % und die Beklagten zu 93 % als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung anstehenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 08.11.2012 um 14.34 Uhr in C-M an der Kreuzung der S-straße mit der Straße X ereignete.
Der Beklagte zu 1) befuhr die Straße X in Richtung S-straße, auf der sich ihm der Kläger mit seinem Roller vom Typ Piaggio von links näherte. Die S-straße ist gegenüber der Straße X bevorrechtigt. Ein vor dem Kläger auf der S-straße fahrendes Fahrzeug wurde von seinem Fahrer an der Einmündung zur Straße X zum Stehen gebracht. Der Kläger fuhr an diesem stehenden Fahrzeug links vorbei, während der Beklagte zu 1) gleichzeitig von rechts über einen abgesenkten Randstein in die Kreuzung einfuhr, sodass es zur Kollision kam. Hierbei wurde der Kläger verletzt und mit dem Rettungstransportwagen in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht, wo noch am selben Tage eine Notoperation stattfand.
Es wurden eine C3-Fraktur des rechtsseitigen Tibiakopfes, eine distale Fibulafraktur im Rahmen des Aufpralls, multiple Hautabschürfungen im Bereich des rechten Oberschenkels sowie ein Kompartmentsyndrom des rechten Unterschenkels festgestellt.
Im Weiteren gab es Komplikationen im Heilungsverlauf, auf deren Darstellung im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird.
Der Kläger war während der gesamten Genesungszeit vom 08.11.2012 bis zum 13.07.2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Es schloss sich bis zum 31.10.2014 eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme an. Seit dem 03.11.2014 arbeitete der Kläger wieder in Vollzeit bei seinem früheren Arbeitgeber, nunmehr als Mitarbeiter in der Waschkaue und nicht mehr als Schmelzer. Es liegt ein Grad der Behinderung von 50 % vor, weshalb der Kläger seinen ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben kann.
Durch den Unfall sind dem Kläger unstreitige materielle Schäden in Höhe von 1.196,53 Euro entstanden, worauf die Beklagte zu 2) vorprozessual 1.321,62 Euro gezahlt hat. Weiter zahlte sie auf den erlittenen Verdienstausfallschaden 7.614,05 Euro und auf das dem Kläger zustehende Schmerzensgeld 12.500,00 Euro.
Der Kläger hat behauptet, er habe sich pflichtgemäß verhalten, als er das auf der Fahrbahn stehende Fahrzeug links passiert habe. Demgegenüber habe der Beklagte zu 1) einen gravierenden Fahrfehler begangen, sodass die Beklagten allein für die Unfallfolgen zu haften hätten.
Er hat weiterhin behauptet, bei dem Unfall seien sein Helm und seine Hose im Wert von 80,00 bzw. 50,00 Euro beschädigt worden. Für den Austausch einer Schließanlage, deren Schlüssel er beim Unfall verloren habe, seien Aufwendungen in Höhe von 765,41 Euro entstanden. Während seiner stationären Behandlung habe er Auslagen für einen Leihfernseher in Höhe von 80,00 Euro sowie für das Aufsuchen von Krankenhäusern und Rehabilitation...