Leitsatz (amtlich)
Zu den Ansprüchen des Käufers eines Gebrauchtwagens gegen den Fahrzeughändler, wenn das Fahrzeug wegen Diebstahlsverdachts sichergestellt und später verwertet wird, nachdem die Staatsanwaltschaft es zugunsten des früheren Eigentümers freigegeben hat.
Normenkette
BGB §§ 275, 281, 311a, 323, 433, 434 Abs. 1, §§ 435, 437, 439-440, 929, 935
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.5.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist unbegründet. Zwar hat das LG die Klage mit unzutreffender Begründung abgewiesen, weil es auf die vom Beklagten formularmäßig auf ein Jahr verkürzte Verjährungsfrist für Sachmängel abgestellt hat. Um einen Sachmangel geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Im Ergebnis erweist sich das angefochtene Urteil aber als richtig, ohne dass es auf die Frage der Anspruchsverjährung ankommt.
1. Die Klägerin macht (aus gem. § 398 BGB abgetretenem Recht ihres Ehemannes) ohne Erfolg einen Schadensersatzanspruch statt der (ganzen) Leistung gem. § 437 Nr. 3 BGB, § 311a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB geltend. Der Anspruch setzt u.a. voraus, dass das Fahrzeug dem Voreigentümer, dem Autohaus T, entwendet worden ist und der Beklagte dem Ehemann der Klägerin das Eigentum nicht verschaffen konnte (§ 275 Abs. 1, §§ 929, 935 BGB).
a) Ein Diebstahl des Fahrzeugs steht jedoch nicht fest. Es ist ebenso möglich, dass das Fahrzeug mit dem Willen des Autohauses T in den Verkehr gegeben worden ist. Dafür spricht der Umstand, dass es an einen "Kunden" zum Zwecke der Probefahrt übergeben worden sein soll, ohne dessen Personalien festzuhalten; bereits das ist lebensfremd. Gegen einen Diebstahl spricht auch der weitere Umstand, dass das Verschwinden des Fahrzeugs über Wochen unbeachtet geblieben sein soll; die Tatzeit konnte von der Fa. T nur sehr vage angegeben werden. Für einen vorgetäuschten Diebstahl kann auch sprechen, dass die (vermeintliche) Tat am 21.4.2005 angezeigt wurde und das Fahrzeug einen Tag später, nämlich 22.4.2005, wieder in den Verkehr gelangte, nunmehr mit einer manipulierten Fahrzeugidentitätsnummer. Da über das Vermögen des Autohauses wenige Monate später das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist ein Motiv denkbar, Vermögen beiseite zu schaffen.
b) Die Frage, ob der Beklagte die Verschuldensvermutung des § 311a Abs. 2 Satz 2 BGB entkräftet hat, weil er keinen Anlass zur Prüfung hatte, ob die Fahrzeugidentitätsnummer manipuliert war, ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich.
2. Ein Schadensersatzanspruch wegen eines Rechtsmangels (§ 437 Nr. 3, § 281, § 433 Abs. 1 Satz 2, § 435 BGB) bzw. ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsmangels (§ 437 Nr. 2, § 435, § 323, § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB) besteht ebenfalls nicht.
a) Die (behauptete) Nichtverschaffung des Eigentums stellt grundsätzlich keinen Rechtsmangel i.S.v. § 435 BGB dar. Die Pflicht zur Verschaffung des Eigentums ergibt sich schon aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, nicht erst aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Nichterfüllung einer Hauptleistungspflicht stellt nicht zugleich einen Mangel dar (BGH, Urt. v. 19.10.2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61, Rz. 27; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rz. 392). Es handelt sich um einen Fall der Nichterfüllung (Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 435 Rz. 2; Westermann in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 435 Rz. 1). Der Verkauf eines gestohlenen Fahrzeugs fällt nicht unter die Rechtsmängelhaftung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rz. 4651, 4764).
b) Die Klägerin kann die Klage auch nicht darauf stützen, dass das Fahrzeug am 22.12.2009 gem. § 94 StPO polizeilich sichergestellt wurde und später auf Anordnung der Staatsanwaltschaft an den Insolvenzverwalter des Autohauses herausgegeben wurde, der es verwerten ließ.
aa) Unter den Begriff der Rechte Dritter i.S.d. § 435 Satz 1 BGB fallen zwar auch öffentlich-rechtliche Befugnisse wie eine staatliche Sicherstellung bzw. Beschlagnahme, sofern diese tatsächlich ausgeübt wird, zu Recht erfolgt und den Verfall oder die Einziehung der Sache zur Folge haben kann (BGH, Urt. v. 18.2.2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802, unter II 1, m.w.N.). Dies gilt auch für Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, die auf § 111b StPO gestützt sind und auch für solche Maßnahmen, die sowohl auf § 111b StPO als auch auf § 94 StPO gestützt sind (BGH, a.a.O., unter II 2). Die Sicherstellung des Fahrzeugs diente im Streitfall indes nicht zum Zweck des Verfalls oder der Einziehung, sondern nur zu Beweiszwecken.
bb) Der BGH hat in dem vorgenannten Urteil offen lassen können, ob eine lediglich nach §...