Leitsatz (amtlich)
1. In der privaten Unfallversicherung ist nach unfallbedingtem Verlust eines Auges eine Vorinvalidität zu berücksichtigen (sog. Brillenabschlag), wenn dem Versicherungsnehmer augenärztlich eine Brille verordnet worden war, der Führerschein mit einem Brillenvermerk versehen ist und der Versicherungsnehmer die Brille zumindest zeitweilig getragen hat.
2. Der teilweise Verlust des Farbsehens aufgrund einer betonten Grünblindheit stellt eine Funktionsbeeinträchtigung des Auges dar.
3. Die Berücksichtigung einer Vorinvalidität erfolgt nur, wenn das alterstypische Maß überschritten ist.
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen I-4 O 431/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.11.2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der am 26.01.1969 geborene Kläger macht im Wege einer Teilklage Rentenansprüche für einen Zeitraum von 6 Monaten aus einer bei der Beklagten gem. Versicherungsschein vom 26.10.2011 (Bl. 6 ff. GA) auf Basis der AUB 2008 (Bl. 13 ff. GA) geführten Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalls vom 10.01.2012 geltend.
Am Unfalltag war der Kläger, der von Beruf Kraftfahrzeugmechaniker ist, mit dem Ausbau eines Fahrersitzes eines Kundenfahrzeuges beschäftigt. Hierbei rutschte der Kläger mit einer Spitzzange ab und stieß mit dieser in sein linkes Auge. Zunächst wurde die Hornhaut des linken Auges genäht sowie das aus dem Auge ausgetretene Glaskörpermaterial entfernt. Letztlich führte die Schwere der Verletzung dazu, dass das linke Auge des Klägers am 9.11.2012 operativ entfernt werden musste.
Der Kläger meldete den Unfall bei der Beklagten und machte Ansprüche aus der Unfallversicherung geltend. Mit Schreiben vom 18.1.2012 bestätigte die Beklagte den Eingang des Schadensfalles und übersandte dem Kläger einen so genannten "persönlichen Fristenausweis" (Bl. 58 ff. der Akten). In der Folgezeit holte die Beklagte eine Stellungnahme des behandelnden Augenarztes Dr. L vom 16.2.2012 (Bl. 82 ff. der Akten) ein, der zudem unter dem 30.11.2012 (Bl. 66 ff. der Akten) eine Zusammenstellung der Krankengeschichte des Klägers an die Beklagte übersandte. Unter dem 10.11.2012 übersandte der Arzt Professor Dr. M eine Invaliditätsbescheinigung an die Beklagte (Bl. 20 der Akte). Aufgrund eines von Professor Dr. M im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachtens vom 13.3.2013 (Bl. 68 ff. der Akten) leistete die Beklagte mit Schreiben vom 15.4.2013 (Bl. 83 ff. der Akten) einen Vorschuss auf die zu erwartenden Leistungen des Klägers i.H.v. 20.000 EUR. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme von Dr. C vom 19.4.2013 (Bl. 84 der Akten) rechnete die Beklagte mit Schreiben vom 26.4.2013 (Bl. 21 der Akten) Invaliditätsleistungen in Höhe von insgesamt 45.500 EUR ab. Dieser Abrechnung legte die Beklagte eine dauernde volle Funktionsunfähigkeit des linken Auges und damit einen Invaliditätsgrad von 50 % zu Grunde. Wegen einer zuvor dem Kläger wegen Kurzsichtigkeit verordneten Brille nahm sie einen Brillenabzug von 3 % im Sinne eines Vorschadens vor. Den sich hieraus ergebenden Invaliditätsgrad von 47 % erhöhte sie unter Berücksichtigung der Progressionsstaffel auf 91 %, was zu der regulierten Invaliditätsleistung führte.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe neben dem Anspruch auf die gezahlte Invaliditätsleistung auch einen Anspruch auf Zahlung einer Unfallrente. Der hierzu erforderliche Invaliditätsgrad von mindestens 50 % werde erreicht, weil die Beklagte den Abzug wegen Vorinvalidität zu Unrecht vorgenommen habe. Zwar habe bereits vor dem Unfall eine Fehlsichtigkeit bestanden. Der Kläger habe die ihm verordnete Brille jedoch nicht getragen, weil die Beeinträchtigung gering gewesen sei. Das Maß seiner Fehlsichtigkeit vor dem Unfall habe dem Sehvermögen von 99 % seiner Altersgenossen entsprochen. Der als Voraussetzung der Rentenzahlungspflicht erforderliche Invaliditätsgrad von mindestens 50 % sei jedenfalls wegen weiterer Beeinträchtigungen wie Wundschmerzen, Kopfschmerzen sowie einer erhöhten Infektionsgefahr durch die Augenprothese erreicht. Zudem habe sich eine Depression entwickelt. Er, der Kläger, habe sämtliche Fristen beachtet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6 000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 1 000 EUR seit dem 1.1.2012, aus einem weiteren Betrag von 1 000 EUR seit dem 1.2.2012, aus einem weiteren Betrag von 1 000 EUR seit dem 1.3.2012, aus einem weiteren Betrag von 1 000 EUR seit dem 1.4.2012, aus einem weiteren Betrag i.H.v. 1 000 EUR seit dem 1.5.2012 sowie aus einem weiteren Betrag von 1 000 EUR seit dem 1.6.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Kurzsichtigkeit und die Hornhautverkrümmung nur leicht ausgeprägt gewesen seien. Sie hat sich insoweit hilfsweise auf das V...