Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Entschädigungsanspruch eines Häftlings gegen das Land gem. § 839 Abs. 3 BGB wegen menschenunwürdiger gemeinschaftlicher Haftunterbringung
Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 03.12.2009; Aktenzeichen 9 O 370/08) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 3.12.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des LG Detmold abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger, der in den Jahren 2005 - 2008 mehrfach in der vor dem 1.1.1977 errichteten JVA Detmold inhaftiert war, verlangt von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung Zahlung einer Entschädigung von 10.280 EUR.
In den von seinem Entschädigungsbegehren umfassten Zeiträumen war der Kläger in folgenden Zeiten zusammen mit einem weiteren Gefangenen in Hafträumen untergebracht, die eine Größe von jeweils 9,06 m2 hatten und mit einer baulich nicht abgetrennten, nur mit einer Schamwand versehenen Toilette ausgestattet waren:
Zeitraum Tage Haftraum
25.5.2005-27.5.2005 1.7.2005-20.10.2005 25.10.2005-2.12.2005 2.12.2005-7.2.2006 2.5.2006-4.5.2006 30.5.2006-30.11.2006 29.11.2007-4.1.2008 23.1.2008-26.2.2008
3 112 39 67 3 185 37 35
HR A 135 HR A 132 HR A132 HR A 135 HR B 221 HR 238 HR 117 HR 117
Förmliche Rechtsmittel gegen seine Haftunterbringung hat der Kläger nicht ergriffen.
Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, er sei in der JVA Detmold an insgesamt 514 Tagen gemeinschaftlich in zu kleinen Hafträumen ohne abgetrennte Toilette untergebracht gewesen. Jeweils unverzüglich nach Unterbringung in die jeweilige Gemeinschaftsunterbringung habe er mündlich einen Antrag auf Einzelunterbringung während der Ruhezeiten gestellt, darauf aber die Auskunft erhalten, dass die JVA Detmold überbelegt und ein Verlegungsantrag daher aussichtslos sei, es bestehe bereits eine Warteliste von ca. 30 - 50 Inhaftierten. Tatsächlich habe es zur damaligen Zeit in der JVA Detmold lange Wartelisten für diejenigen gegeben, die auf einen Einzelhaftraum verlegt werden wollten, eine ernsthafte Aussicht auf Verlegung habe es allerdings nicht gegeben.
Das beklagte Land ist dem Entschädigungsverlangen des Klägers entgegen getreten. Es hat eingewandt, die vom Kläger begehrte Entschädigung sei im Hinblick darauf, dass der Kläger keinerlei körperliche oder seelische Schäden erlitten habe, nicht gerechtfertigt, jedenfalls aber völlig übersetzt. Dies umso mehr, als sich der Kläger zu keiner Zeit mit einem Rechtsmittel gegen seine nun als menschenunwürdig beanstandete gemeinschaftliche Unterbringung gewandt habe. Unabhängig davon scheitere der geltend gemachte Anspruch nach § 839 Abs. 3 BGB insgesamt an der versäumten Einlegung zur Verfügung stehender Rechtsmittel. Bereits auf einen bloßen Verlegungsantrag hin, um so mehr aber auf einen Antrag nach §§ 109, 114 StVollzG hin wäre der Kläger -und zwar noch vor einer etwaigen stattgebenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer- innerhalb von weniger als 2 Wochen einzeln untergebracht worden. Erst recht wäre es zu einer sofortigen Einzelunterbringung des Klägers gekommen, falls die zuständige Strafvollstreckungskammer dies auf ein entsprechendes Rechtsmittel des Klägers hin angeordnet hätte. Die hierfür erforderlichen räumlichen Möglichkeiten seien in der JVA Detmold im streitgegenständlichen Zeitraum vorhanden gewesen und zwar aufgrund wöchentlicher Entlassungen, durch die Einzelhafträume frei geworden seien, daneben wegen der Verlegungsbereitschaft einer erheblichen Anzahl von Gefangenen, die einzeln untergebracht waren, stattdessen aber lieber gemeinschaftlich untergebracht worden wären, oder durch Rückgriff auf freie Einzelhafträume, die an sich für problembehaftete Gefangene vorgehalten würden. Zudem hätte auch die Möglichkeit bestanden, den Kläger in eine andere JVA zu verlegen, in Betracht gekommen wäre konkret die JVA Münster, die durchgängig über freie Haftplätze -auch in Einzelhafträumen- verfügt habe.
Das LG hat der Klage durch das angefochtene Urteil weitgehend antragsgemäß stattgegeben und das Land zur Zahlung von 10.132 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung seien erfüllt. Die unstreitige gemeinschaftliche Unterbringung des Klägers erfülle infolge unzureichender Größe und sanitärer Ausstattung der ihm zugewiesenen Hafträume die Kriterien einer menschenunwürdigen Unterbringung, dem beklagten Land sei insoweit ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Der Anspruch sei auch nicht nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Das insoweit darlegungs- und beweispflichtige Land habe nicht schlüssig dargetan, dass ein etwaiges Rechtsmittel des Klägers Erfolg gehabt und kurzfristig zu einer Beendigung seiner gemeinschaftlichen Unterbringung geführt hätte.
Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner Berufung, mit der es seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung unter weitgehender Wiederhol...