Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 14.12.1988; Aktenzeichen 7 O 510/88) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird am 14. Dezember 1988 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.611,58 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.08.1988 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 2.500,– DM, die der Beklagten 2.611,58 DM.
Gründe
(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Berufung ist teilweise begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten Schadenersatz wegen der Verletzungen verlangen, die sie am 31.05.1988 auf dem Spielplatz in … erlitten hat (§§ 847, 831, 823 BGB). Ihr Anspruch beläuft sich auf insgesamt 2.611,50 DM.
1)
Die Beklagte hat die ihr für den vorgenannten Spielplatz obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt.
a)
Inhalt und Umfang der Sicherungspflicht für einen öffentlichen Spielplatz ergeben sich aus der Notwendigkeit, den Spielplatz möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten. Dabei muß auch dafür Sorge getragen werden, daß insbesondere in den von kleineren Kindern zum Spielen benutzten Bereichen keine Glasscherben und sonstigen gefährlichen Gegenstände herumliegen, die zu Verletzungen führen können.
Zu diesen gegen Verletzungsgefahren zu sichernden Bereichen gehörte hier auch die Stelle unter den Rutsche, wo die Klägerin an einer Querstrebe geturnt hatte. Wenn diese Querstrebe auch lediglich zur festen Verankerung der Rutsche und nicht als besonderes Sportgerät eingebaut worden sein mag, mußte die Beklagte in jedem Fall damit rechnen, daß sie von Kindern zum Turnen benutzt werden würde. Daher war dafür zu sorgen, daß das unter dieser Strebe befindliche Gras regelmäßig soweit abgemäht wurde, daß dort eventuell liegende gefährliche Gegenstände rechtzeitig erkannt und unverzüglich beseitigt werden konnten. Dies war hier um so mehr geboten, als bekannt war, daß ältere Jugendliche den Spielplatz auch zu Trinkgelagen nutzten und dort – zumindest gelegentlich – auch zerbrochene Flaschen zurückließen.
b)
Diese Sicherungspflicht hat die Beklagte im vorliegenden Fall verletzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die Bediensteten der Beklagten zur Unfallzeit das unter der Querstrebe der Rutsche wachsende Gras nicht gemäht hatten, so daß der dort liegende und zur Verletzung der Klägerin führende Flaschenhals nicht rechtzeitig bemerkt werden konnte. Die Zeugin Vauck hat glaubhaft bekundet, daß das Gras an der Unfallstelle mit der von der Beklagten eingesetzten großen Mähmaschine wegen der Verankerung der Rutsche und einem dort stehenden Rosenstrauch nicht abgemäht werden konnte und zur Unfallzeit dort etwa 20 cm hochgestanden hatte. Demgegenüber haben die Zeugen … und … nicht sicher aussagen können, ob das Gras in diesem Bereich durch Handmäher abgemäht worden war.
Soweit die Beklagte im Senatstermin vom 30.01.1990 erstmals Beweis dafür angetreten hat, daß das Gras unter den Spielgeräten durch Handmäher kurzgehalten worden sei, ist ihr Verteidigungsmittel verspätet und kann gemäß § 528 Abs. 2 ZPO nicht mehr zugelassen werden. Die Klägerin hatte bereits auf S. 1 ihres Schriftsatzes vom 20.09.1989 vorgetragen, daß sämtliche Spielgeräte von „hochgewachsenem Gras … zugewuchert” gewesen seien. Zu diesem Punkt hätte die Beklagte nach § 282 Abs. 1 ZPO bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung umfassend Beweis antreten können und müssen. Da dies nicht erfolgt ist und eine Ladung des nunmehr benannten Zeugen … die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, kann dem neuen Beweisantrag nicht mehr nachgegangen werden.
c)
Das pflichtwidrige Versäumnis der städtischen Bediensteten begründet nach § 831 BGB auch ein Verschulden der Beklagten.
2)
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist davon auszugehen, daß die schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten für die Schnittverletzungen der Klägerin auch ursächlich war. Der Einwand, die zur Verletzung der Klägerin führende Scherbe könne auch ganz kurz vor dem Unfall unter die Rutsche gelangt sein und hätte daher auch bei ordnungsgemäßer Durchführung der turnusmäßigen Mäh- und Reinigungsarbeiten nicht bemerkt werden können, greift nicht durch.
Zwar gilt zugunsten der für die Ursächlichkeit eines Pflichtenverstoßes darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Eine allgemeine Regel, daß das Risiko eines nicht voll aufgeklärten Sachverhalts stets dem zur Last fällt, der es durch sein pflichtwidriges Verhalten geschaffen haben soll, läßt sich nämlich nicht aufstellen (Senat in NJW-RR 87, 412 (413)).
Jedoch greifen hier die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugunsten der Klägerin ein. Es liegt ein typischer Geschehensablauf vor, d.h. ein Ablauf, der nach allgemeinen Erfahrungssätzen beinhaltet, daß ein Schadensereignis eine typ...