Leitsatz (amtlich)

In situ hergestellter Stickstoff als Biozidprodukt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. a) BiozidVO

 

Normenkette

EUV 528/2012 Art. 3; EUV 528/2012 Art. 17 Abs. 1; EUV 528/2012 Art. 86; EUV 528/2012 Art. 93 lit. b)

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 19 O 9/18)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 24.09.2018 verkündete Urteil der V. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in der Beschlussformel der einstweiligen Verfügung der V. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 07.05.2018 nach den Worten "zugelassen ist" die Worte ", wie ersichtlich aus den Anlagen ASt 3 (Blatt 11 der Gerichtsakte), ASt 4 (Blatt 12 der Gerichtsakte), ASt 5 (Blatt 13 der Gerichtsakte), B2 (Blatt 66-67 der Gerichtsakte), ASt 13 (Blatt 100-102 der Gerichtsakte) und ASt 14 (Blatt 103-106 der Gerichtsakte)" eingefügt werden.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Gründe

A. Die beiden in Österreich ansässigen Parteien bieten (auch) auf dem deutschen Markt Leistungen auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung an. Zu den Kunden beider Parteien gehören u.a. Museen und andere kulturelle Einrichtungen in Deutschland.

Am 12.03.2018 bewarb die Verfügungsbeklagte innerhalb ihres Internetauftrittes "www.t.at" auf der Internetseite "www.t.at/begasungen" (Internetausdruck Anlage ASt 4 = Blatt 12 der Gerichtsakte) eine von ihr als "Stickstoffbehandlung von Kunst- und Kulturgütern" bezeichnete Form der Schädlingsbekämpfung. Auf der vorbezeichneten Internetseite hieß es hierzu:

"Begasungen

Von einer Begasung spricht man, wenn ein Raum mit toxischen oder inerten (Anmerkung des Senats: inert = reaktionsträge) Gasen geflutet wird, um Schädlinge zu bekämpfen. Begasungen sind das Mittel der Wahl bei der Lagerung von organischen Materialien wie z.B. bei Getreidelagerungen in Silos oder Mühlen usw. Auch bei der Bekämpfung von tierischen Holzschädlingen können Gase zum Einsatz kommen.

Wir führen Begasungen je nach Bedarf und Beschaffenheit des zu behandelnden Objekts mit unterschiedlichen Gasen durch.

(...)

Stickstoff (N)

Stickstoff wird vorwiegend für besonders schonende Bekämpfungsmaßnahmen von Kunstobjekten angewandt.

(...)

Stickstoffbehandlung von Kunst- und Kulturgütern

Kunstwerke sind leider nicht von Schädlingsbefall ausgenommen. Sie sind jedoch oft von besonderer Beschaffenheit und müssen besonders schonend behandelt werden.

Mit der innovativen Stickstoffbehandlung können wir ein wirksames Verfahren gegen Holz- und Materialschädlinge anbieten, welches eine kontrollierte Behandlung in sauerstoffarmer Atmosphäre gewährleistet. Eine Stickstoffbehandlung kann direkt vor Ort durchgeführt werden. Hierzu wird ein Zelt aus einer spezialbeschichteten gasdichten Folie individuell an das zu behandelnde Objekt angepasst. Es bestehen daher auch kaum Grenzen bei der Größe des zu behandelnden Objekts.

(...)"

Ebenfalls am 12.03.2018 berichtete die Verfügungsbeklagte auf der Internetseite "www.t.at/stickstoffbegasung-hofsalonwagen" (Internetausdruck Anlage ASt 5 = Blatt 13 der Gerichtsakte) über eine von ihr durchgeführte Schädlingsbekämpfungsmaßnahme mit folgendem Text:

"Stickstoffbegasung Hofsalonwagen

Um den Befall von Kleidermotten und Holzschädlingen im wertvollen Hofsalonwagen von Kaiserin Maria Theresia zu bekämpfen, wurde ein Zelt aus einer Spezialfolie gefertigt und mit Stickstoff gefüllt. Diese Methode ist nicht nur sehr schonend zu Materialien jeglicher Art, sie kann auch bei normalem Betrieb des Museums eingesetzt werden."

Die Verfügungsbeklagte setzt bei dem von ihr auf die vorstehend wiedergegebene Art und Weise beworbenen und beschriebenen - und von ihr in Deutschland auch bereits mehrfach angewandten - Schädlingsbekämpfungsverfahren den Stickstoff-Generator "IMT-PN OnTouch" (Informationsblatt Anlage B2 = Blatt 66-67 der Gerichtsakte) ein. Es handelt sich hierbei um ein technisches Gerät, das Luft (Luft besteht im Wesentlichen aus den zwei Gasen Stickstoff [rund 78,08 Vol.-%] und Sauerstoff [rund 20,95 Vol.-%]), welche das Gerät durchströmt, unter Einsatz von Aktivkohle die Sauerstoffmoleküle entzieht und sodann den verbleibenden Stickstoff - mit Reinheitsgraden von bis zu 99,9999% (so jedenfalls die Eigendarstellung des Geräteherstellers) - zur weiteren Verwendung wieder bereitstellt.

Über eine behördliche Zulassung des von dem Generator bereitgestellten Stickstoffes für die Verwendung als Schädlingsbekämpfungsmittel nach der "Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten" (im Folgenden: BiozidVO) verfügt die Verfügungsbeklagte nicht. In Deutschland verfügt - soweit ersichtlich - lediglich die "Rentokil Initial Limited" über eine derartige behördliche Zulassung für ein Insektizid mit dem Wirkstoff "Stickstoff", und zwar für das Produkt "Rentokil N2 Controlled Atmosphere", bei dem es sich um industriell hergestellten Stickstoff in Ga...

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