Entscheidungsstichwort (Thema)
Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten; teilweise Verwirkung von Unterhaltsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Haushaltsführung für den Partner ist nicht einer Erwerbstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt gleichzustellen, so dass als Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten dasjenige für nicht Erwerbstätige (770 EUR ab 1.7.2005, Nr. 21.4.2 HLL 2005) in Betracht kommt.
Eine weitere Reduzierung wegen Zusammenlebens mit einem Partner findet nicht statt.
2. Im Falle der wegen Wahrung der Kindesbelange nur teilweisen Verwirkung von Unterhaltsansprüchen nach § 1579 BGB ist das Erziehungsgeld gem. § 9 BErzGG auf den Unterhaltsanspruch bedarfsdeckend anzurechnen, nicht dagegen das Kindergeld.
Normenkette
BGB § 1579; BErzGG § 9
Verfahrensgang
AG Beckum (Urteil vom 02.12.2005; Aktenzeichen 9 F 59/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2.12.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Beckum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wie folgt Trennungsunterhalt zu zahlen:
a) für die Zeit vom 1.1.2005 bis 22.4.2005 monatlich 55 EUR;
b) für die Zeit vom 23.4. bis 30.6.2005 monatlich 355 EUR;
c) für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2005 monatlich 395 EUR.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 3/5 und dem Beklagten zu 2/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien, die seit dem 16.1.2006 rechtskräftig geschieden sind, streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit von Dezember 2004 bis zur Rechtskraft der Scheidung. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
Die Parteien haben am 31.5.2002 geheiratet. Auch danach blieben beide berufstätig. Im November 2003 ließ die Klägerin in Absprache mit dem Beklagten die bis dahin zur Verhütung verwendete Spirale entfernen, weil sich beide ein Kind wünschten. Als sich im Februar 2004 bei einem Test der Eintritt einer Schwangerschaft bestätigte, unterrichtete sie ihren Ehemann, teilte ihm gleichzeitig mit, dass sie zwei Männer liebe, und zog am 18.2.2004 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Ob sie zunächst bei ihren Eltern gewohnt hat, ist streitig. Spätestens im März, als der Beklagte die Herausnahme ihrer Möbel aus der ehelichen Wohnung verlangte, ist sie bei ihrem neuen Freund eingezogen.
Am 23.10.2004 brachte die Klägerin den Sohn F. zur Welt. Bei einem Test, der wegen der vom Beklagten an seiner Vaterschaft geäußerten Zweifel durchgeführt wurde, bestätigte sich, dass er der Vater ist.
Die Klägerin hat zunächst Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage beantragt, mit der sie Kindes- und Trennungsunterhalt geltend machen wollte. Nach Vorlage der begehrten Unterlagen hat sie den Auskunftsantrag nicht weiterverfolgt. Schon im PKH-Berufungsverfahren hat sich der Beklagte durch Teilvergleich vom 3.6.2005 verpflichtet, für F. bis einschließlich Juni 2005 monatlich 192 EUR und ab Juli 2005 monatlich 199 EUR Kindesunterhalt zu zahlen.
Zur Höhe ihres Anspruchs auf Trennungsunterhalt hat die Klägerin zunächst vorgetragen, der Beklagte verdiene monatlich mindestens 2.000 EUR netto. Nach Abzug des Kindesunterhalts von 192 EUR verblieben 1.808 EUR. Davon könne sie 3/7 verlangen, also 774,86 EUR.
Entsprechend der nach Vorlage der Gehaltsabrechnungen erfolgten Berechnung des AG und der darauf fußenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat sie dann allerdings nur beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie von Dezember 2004 bis Juni 2005 monatlich 615,99 EUR und ab Juli 05 monatlich 612,99 EUR Trennungsunterhalt zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin berufen. Diese müsse schon vor der Trennung ein Verhältnis zu ihrem neuen Lebensgefährten unterhalten haben, denn sie sei gleich nach dem Verlassen der Ehewohnung zu ihrem neuen Freund gezogen.
Die Belange des gemeinsamen Kindes stünden einem Ausschluss des Unterhalts nicht entgegen. Zumindest sei auf einen verbleibenden Anspruch das Erziehungsgeld, das für die Führung des gemeinsamen Haushalts zuzurechnende Versorgungsentgelt und das hälftige Kindergeld anzurechnen.
Die Klägerin hat dem Verwirkungseinwand entgegengehalten, der Beklagte habe während der Ehe mehr sexuelle Freiräume verlangt, einen Swingerclub aufgesucht und eine homosexuelle Beziehung in B. unterhalten, obwohl sie damit nicht einverstanden gewesen sei. Als sie erfahren habe, schwanger zu sein, habe sie es deshalb für besser gehalten, sich sofort von ihrem Ehemann zu trennen, als dem Kind zuzumuten, später eine Trennung seiner Eltern zu erleben. Sie sei nach der Trennung auch nicht sofort zu Dr. M. gezogen, den sie im Januar 2004 kennen gelernt habe, sondern erst, als der Beklagte ultimativ verlangt habe, sie solle bis zum 31.3.2004 ihre Möbel aus der Ehewohnung holen.
Das AG hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt. Es hat ein anrechenbares Einkommen des Beklagten i.H.v. 1.942,30 EUR...