Leitsatz (amtlich)
Beschränkt sich der Beitrag des Lkw Fahrers beim Beladen seines Lkws darauf, dass er dessen Seitenplane zunächst nach vorne und dann nach hinten schiebt, um dem Staplerfahrer das Beladen zu erleichtern, ergänzen sich die von den Versicherten unterschiedlicher Unternehmen erbrachten Tätigkeiten nicht, wenn die Tätigkeit des einen Beteiligten lediglich vorbereitende Funktion für die nachfolgende Tätigkeit des Anderen hat.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1, § 8; SGB VII § 106 Abs. 3 3. Alt
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 15.06.2015; Aktenzeichen 8 O 47/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.06.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.
Der auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen gerichtete Klageantrag zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zukünftige materielle und derzeit nicht vorhersehbare immaterielle Schäden aus dem Unfallereignis vom 22.11.2012 zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Hinsichtlich des Schmerzensgeldbetragsverfahrens wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 192 ff. = 201 R ff. GA) Bezug genommen.
Das LG hat den Kläger und den Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört (vgl. Bl. 146 ff. = 167 ff. GA) und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G (vgl. Bl. 151 ff. = 169 R ff. GA), I2 (vgl. Bl. 156 ff. = 171 R ff. GA) und M (vgl. Bl. 158 f. = 173 f. GA). Es hat sodann mit dem angefochtenen Urteil die Klage bereits dem Grunde nach abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei unbegründet. Ersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte schieden nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs von vornherein aus.
- Zugunsten des Zeugen G, welcher bei einer unterstellten Haftung nach §§ 823 ff., 840 BGB gesamtschuldnerisch neben der Beklagten haften würde, greife die Haftungsprivilegierung der §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 3, 3. Fall SGB VII, da der streitgegenständliche Unfall sich i.S. dieser Vorschriften - im Hinblick auf die aufeinander bezogenen und sich ergänzenden Tätigkeiten des Klägers und des Zeugen G bei der Beladung des Lkw - auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet habe.
- Im Innenverhältnis zum nach den genannten Vorschriften privilegierten Zeugen G entfalle auf die Beklagte keinerlei Haftungsanteil.
- Eine etwaige Haftung der Beklagten nach § 831 BGB begründe gem. § 840 Abs. 2 BGB im Verhältnis zum Zeugen G keinen Haftungsanteil der Beklagten.
- Eine selbständige eigene Verantwortlichkeit der Beklagten für den Unfall, welche eine anteilige Haftung im Innenverhältnis rechtfertigen könnte, bestehe nicht.
- Ein etwaiges Überwachungsverschulden könne von vornherein im Innenverhältnis keinen Haftungsanteil der Beklagten rechtfertigen.
- Eine eigene unfallursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung sei der Beklagten nicht anzulasten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der unfallbeteiligte Gabelstapler über eine Blitzleuchte verfügt habe. Dass diese Leuchte zur Unfallzeit etwa defekt gewesen wäre, habe der Kläger nicht zu beweisen vermocht. Gleiches gelte hinsichtich des behaupteten Defekts der Heckscheinwerfer des Gabelstaplers. Soweit diese wieder ausgeschaltet worden sein sollten, begründe dies lediglich ein Verschulden des Zeugen G, nicht jedoch eine Sicherungspflichtverletzung der Beklagten. Das vom Geschäftsführer der Beklagten und dem Zeugen G2 mann bestätigte Fehlen eines akustischen Warnsignals am Gabelstapler begründe ebenfalls keine Sicherungspflichtverletzung, da eine solche akustische Warneinrichtung in den maßgebenden Unfallverhütungsvorschriften nicht vorgeschrieben sei. Schließlich seien auf dem Betriebsgelände der Beklagten nach dem Ergebnis der Parteianhörung und Beweisaufnahme auch Beleuchtungsmöglichkeiten vorhanden gewesen; ob die Beleuchtung ausreichend gewesen sei, könne offen bleiben, da der Unfall hierauf nach der eigenen Darstellung des Herganges - namentlich der geschilderten Positionen der Beteiligten jeweils mit dem Rücken zueinander - jedenfalls nicht beruhe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit seiner gegen die landgerichtliche Entscheidung gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang ...