Leitsatz (amtlich)
Eine zweite Kortisoninjektion muss nicht zwingend als behandlungsfehlerhaft gewertet werden, auch wenn die zeitliche Soll-Vorgabe des Medikamentenherstellers nicht eingehalten wird.
Dabei muss der Arzt eine Abwägung zwischen dem erhöhten Infektionsrisiko und der Beschwerdelinderung vornehmen. Vor einer solchen Behandlung muss der Patient auf die gesteigerten Risiken hingewiesen werden.
Bei mangelnder Aufklärung trägt der Patient die Beweislast dafür, dass die Kniegelenksinfektion durch die konkrete Injektion verursacht worden ist.
Normenkette
BGB § 280 I, § 823
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 4 O 346/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Februar 2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer vermeintlich fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Jahr 2012 auf Schmerzensgeld (mind. 50.000,00 EUR), Schadensersatz (124.836,56 EUR) und Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht in Anspruch.
Bei dem am ....04.1945 geborenen Kläger wurde wegen seit Mitte 2011 bestehenden Kniebeschwerden rechts durch den Orthopäden Dr. F in der Zeit vom 26.08.2011 bis 30.03.2012 eine konservative Therapie u.a. mit zehn intraartikulären Injektionen mit Hyaloronsäure, Carbostesin und Triamcinolon 40 mg durchgeführt.
Am 08.12.2011 suchte der Kläger mit dem Ergebnis einer vorangegangenen MRT-Untersuchung erstmals die Praxis des Beklagten, eines niedergelassenen Orthopäden, auf, um sich eine Zweitmeinung einzuholen. Der Beklagte diagnostizierte eine Gonarthrose vierten Grades rechts im Bereich des Knieinnenspaltes. Der Beklagte erörterte mit dem Kläger sodann verschiedene Therapiemöglichkeiten und wies insb. auf die Möglichkeit einer Knieteilgelenksendoprothese hin. Der Kläger stand zu diesem Zeitpunkt einem operativen Eingriff jedoch zurückhaltend gegenüber.
Nachdem der Kläger seine letzten Injektionen von Dr. F erhalten hatte, stellte er sich am 14.05.2012 mit zunehmenden Schmerzen und einer Schwellung im rechten Kniegelenk erneut in der Praxis des Beklagten vor. Der Beklagte diagnostizierte einen Erguss, eine Baker-Zyste und einen Unterschenkelstau bei einer weiterhin bestehenden Gonarthrose und empfahl erneut eine Knieteilgelenksendoprothese. Noch am selben Tag verabreichte der Beklagte dem Kläger eine intraartikuläre Injektion mit Triamcinolon 40 mg (Triamhexal 40) in das rechte Kniegelenk. Am 23.05.2012 erfolgte eine weitere Injektion des Kortisonpräparats in das rechte Kniegelenk. Am 11.06.2012 empfahl der Beklagte bei einer Kontrolluntersuchung eine Radiosynoviothese und überwies den Kläger an einen Radiologen. Eine weitere Vorstellung des Klägers in der Praxis des Beklagten erfolgte nicht.
Wegen anhaltender Beschwerden wurde dem Kläger sodann am 14.06.2012 im Facharztzentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in C durch Dr. F2 eine intraartikuläre Injektion mit einem kortisonhaltigen Präparat in den Trochanter Major verabreicht. Eine am 19.06.2012 durchgeführte Punktion ergab den Nachweis eines massiven Kniegelenkempyems und nach Anreicherung über längere Zeit einen Befall mit dem Keim Propionibacterium acnes (vgl. Anl. B2, Bl. 39 d.A.). Darauf begab sich der Kläger am 05.07.2012 zur stationären Aufnahme in das Krankenhaus C. Noch am gleichen Abend erfolgte eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks mit Spülung und Synovektomie. Im weiteren Verlauf erfolgte am 07.07.2012 und 10.07.2012 eine Rearthroskopie mit entsprechender Spülung und Debridement. Am 16.07.2012 wurde der Kläger entlassen.
Die Beschwerden des Klägers zogen sich in der Folgezeit hin. In der Zeit vom 23.10.2012 bis 02.11.2012 befand sich der Kläger zum Zwecke der Implantation einer Totalknieprothese in stationärer Behandlung in der F3-Klinik I. Am 25.10.2012 erfolgten dort eine Arthrotomie und eine Probeexzision. Aufgrund einer bakteriellen Infektion des rechten Kniegelenks wurde der Eingriff intraoperativ abgebrochen und der Implantationstermin verschoben (vgl. OP-Bericht v. 25.10.2012, Bl. 155 d.A. und histologische Begutachtung v. 06.11.2012, Bl. 157 d.A.).
Nachdem sich die Beschwerdesymptomatik des Klägers weiter verstärkte und zwischenzeitlich vom 08.11. bis 06.12.2012 eine Schmerztherapie mit Oralanalgetika bis hin zu Opiaten im Krankenhaus M erfolgte, stellte sich der Kläger am 07.12.2012 zum zweiten Mal zur stationären Behandlung in der F3-Klinik I vor. Am 12.12.2012 erfolgte dort die Implantation einer Rotationsknieendoprothese unter kalkulierter Antibiose (vgl. OP-Bericht v. 12.12.2012, Bl. 158 d.A.). Am 20.12.2012 wurde der Kläger entlassen. Es schloss sich eine stationäre Rehabilitationsbehandlu...