Entscheidungsstichwort (Thema)

Kommunale Zusatzversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird satzungsgemäß der Versicherungsfall durch den Rentenbescheid festgestellt, ist ohne Belang, ob die dem Rentenbescheid zu Grunde liegenden Beeinträchtigungen auch schon vorher gegeben waren.

2. "Aus Anlass des Eintritts des Versicherungsfalles" endet ein Arbeitsverhältnis nicht, wenn es vom Versicherten gekündigt worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 04.11.2003; Aktenzeichen 4 O 315/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.11.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Sie führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Nach der Satzung der Beklagten steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer Versorgungsrente zu. Er hat lediglich Anspruch auf die ihm gezahlte Versicherungsrente, und dies auch lediglich ab dem 1.7.2001.

Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten unterliegt dem privaten Versicherungsrecht. Es ist geregelt durch die für die Parteien verbindliche Satzung der Beklagten als Versorgungsanstalt ihrer Mitglieder, der Gemeinden, Gemeindeverbände sowie anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Satzung der Beklagten hat die Qualität allgemeiner Versicherungsbedingungen. Diese Einschätzung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 18.9.1991 - IV ZR 233/90, NJW-RR 1992, 25).

Gemäß § 28 Abs. 1 der Satzung der Beklagten erhält ein Versicherter Versorgungsrente, wenn er bei Eintritt des Versicherungsfalls die Wartezeit erfüllt hat und zu diesem Zeitpunkt pflichtversichert war.

Der Versicherungsfall (§ 30 der Satzung) tritt bei einem in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten in der Regel an dem Tag ein, von dem an er die gesetzliche Rente erhält. Ist jedoch im Bescheid des Rentenversicherungsträgers für den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ein vor dem Rentenbeginn liegender Tag festgestellt, so tritt der Versicherungsfall an diesem Tag ein (§ 30 Abs. 1 S. 3).

Der Kläger war am 1.7.2001, dem Tag des Beginns der gesetzlichen Rente, nicht pflichtversichert. Sein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit der K. hatte durch Aufhebungsvertrag schon am 30.4.1993 geendet.

Der Kläger kann sich allerdings auf § 30 Abs. 1 S. 3 der Satzung berufen, da die BfA im Rentenbescheid vom 6.6.2002 den Beginn der (befristeten) Rente wegen voller Erwerbsminderung zwar auf den 1.7.2001 festgesetzt, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen aber schon ab dem 1.5.1993 festgestellt hat. Demnach ist der Versicherungsfall für den Kläger am 1.5.1993 eingetreten.

Aber auch an diesem Tag war der Kläger nicht mehr pflichtversichert, weil, wie bereits erwähnt, das versicherungspflichtige Arbeitsverhältnis bereits am Tag vor dem 1.5.1993 geendet hatte.

Die Fiktion des § 28 Abs. 2 der Satzung greift im Fall des Klägers nicht ein. Nach dieser Vorschrift gilt ein Versicherter als bei Eintritt des Versicherungsfalles pflichtversichert, wenn die Pflichtversicherung an dem Tag, der dem Tag des Eintritts des Versicherungsfalles vorhergeht, aus Anlass des Eintritts des Versicherungsfalles geendet hat.

Diese Vorschrift hat den Sinn, den Regelfall abzudecken, in dem ein Versicherter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, eben weil der Versicherungsfall eingetreten ist und er die gesetzliche Rente bezieht. Ohne § 28 Abs. 2 würde in allen Fällen, in denen sich nahtlos die gesetzliche Rente an das Ende des Arbeitsverhältnisses anschließt, keine Leistungspflicht der Beklagten bestehen, weil am Tag des Rentenbeginns keine Pflichtversicherung mehr bestand (vgl. die Kommentierung in Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, zu § 37 Anm. 2; § 37 der VBL-Satzung entspricht dem § 28 der Satzung der Beklagten). Der Kläger ist nicht aus Anlass des Versicherungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, weil er am folgenden Tag die gesetzliche Rente zu erwarten hatte, sondern sein Arbeitsverhältnis endete durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag nach einer vorangegangenen Kündigung des Klägers.

§ 28 Abs. 2 der Satzung ist mithin nicht einschlägig.

Nach der Satzung kommt es entgegen der Ansicht des Klägers, der das LG gefolgt ist, nicht darauf an, ob bei dem Kläger auch schon am 30.4.1993 die gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorlagen, die zur Festsetzung des Versicherungsfalls auf den 1.5.1993 geführt haben. Dafür, dass das der Fall war, spricht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit. Die Beklagte ist aber nach ihrer Satzung nicht befugt, die Anspruchsvoraussetzungen selbst zu prüfen und von der Festsetzung der BfA abzuweichen. Sie ist an die Festsetzung im Rentenbescheid gebunden. Deshalb kann ein Versicherter bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Versorgungsrente nur durch eine entsprechende Änderung oder Ergänzung des Rentenbe...

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