Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch eines erwachsenen nichtehelichen Sohnes, der wegen Drogenschmuggels inhaftiert ist
Leitsatz (amtlich)
Ob ein Unterhaltsanspruch eines 32-jährigen nichtehelichen Sohnes, der wegen Drogenschmuggels eine Freiheitsstrafe von 8 Jahren in Ecuador verbüßt, gem. § 1611 BGB ausgeschlossen ist, kann erst nach einer umfassenden Billigkeitsprüfung entschieden werden, bei der neben dem sittlichen Verschulden des Sohnes auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters und die Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen sind.
Eine Auskunftsklage bezüglich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters kann daher nicht mit der Begründung abgewiesen werden, der Sohn habe seine Bedürftigkeit durch eigenes sittliches Verschulden herbeigeführt, so dass ein Unterhaltsanspruch ganz entfalle.
Normenkette
BGB §§ 1601 ff.; SGB VII § 94 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Unna (Urteil vom 13.01.2006; Aktenzeichen 12a F 331/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.1.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Unna abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über seine gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Zeit ab dem 29.5.2004 zu erteilen.
Wegen des Zahlungsantrages wird der Rechtsstreit an das AG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte ist der Vater des am 21.12.1973 nichtehelich geborenen J., der zurzeit wegen Drogenbesitzes in Ecuador inhaftiert ist und vom Kläger Sozialhilfe für Deutsche im Ausland erhält. Der Kläger will die auf ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche des Herrn J. gegen dessen Mutter und den Beklagten geltend machen, muss dazu aber zur Bestimmung des Haftungsverhältnisses gem. § 1606 Abs. 3 BGB zunächst die Einkommensverhältnisse des Beklagten kennen. Da dieser vorprozessual die Erteilung von Auskünften verweigert hat, nimmt ihn der Kläger im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung in Anspruch. Im Einzelnen liegt Folgendes zu Grunde:
J. ist bei seiner Mutter aufgewachsen, die später geheiratet hat. Ihr Ehemann hat J. nicht adoptiert, ihm aber seinen Namen gegeben. Der Beklagte hat Unterhalt für J. gezahlt, bis dieser volljährig wurde und keine weiteren Ansprüche geltend machte. Über dessen schulischen und beruflichen Werdegang weiß er nichts, weil er den Kontakt zu J. schon vor mehr als 20 Jahren verloren hat.
J. ist offenbar drogensüchtig und am 5.10.2003 in Ecuador wegen Drogenschmuggels verhaftet worden. Am 30.9.2005 ist er wegen Drogenbesitzes zu 8 Jahren Haft verurteilt worden. Da die Haftbedingungen in den Gefängnissen Ecuadors katastrophal sind - 40 Gefangene in einer Zelle, unzureichende Versorgung mit Nahrung, Kleidung und medizinischer Behandlung - und es erforderlich ist, sich zusätzliche Leistungen zu erkaufen, hat er sich an die deutsche Botschaft und seine Eltern gewandt. Letztere lösten seine Wohnung und sein Konto auf und schickten ihm das Geld aus der Kontoauflösung i.H.v. 376,63 EUR sowie weitere von ihnen und seinen Freunden aufgebrachte Mittel, insgesamt 1.176,63 EUR. Als dieses verbraucht war, u.a. für die Beschaffung von Drogen und die Behandlungskosten im Krankenhaus nach der Einnahme von Methylalkohol im Januar 2004, hat ihm der Kläger auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes mit Schreiben vom 15.4.2004 laufende Hafthilfe von monatlich 75 US-$ und Hilfe bei Krankheit zugesagt. Kurze Zeit später hat er dem Beklagten die Hilfegewährung angezeigt und wegen der künftig übergehenden Unterhaltsansprüche Auskunft verlangt.
Da der Beklagte alle Ansprüche schon dem Grunde nach zurückgewiesen hat, macht der Kläger die auf ihn übergegangenen Ansprüche gegen seinen Vater im vorliegenden Verfahren geltend.
Er hat in erster Instanz vorgetragen, J., der bis zu einer eventuellen Verurteilung als unschuldig zu gelten habe, sei auf Grund der Verhältnisse in den Gefängnissen Ecuadors bedürftig geworden, da die Versorgung dort unzureichend sei und keine Möglichkeit bestehe, durch Arbeit im Gefängnis zusätzliche Mittel zu erwerben. Ein sittliches Verschulden von J., das zur Verwirkung der Ansprüche gem. § 1611 BGB führen könne, sei vom Beklagten darzulegen und bisher nicht ersichtlich.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm Auskunft über seine gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Zeit ab dem 29.5.2004 zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, er brauche keine Auskunft zu erteilen, weil eventuelle Unterhaltsansprüche seines Sohnes verwirkt seien. Er habe den Unterhalt für seinen Sohn stets pünktlich gezahlt, aber seit 20 Jahren kein Lebenszeichen mehr von diesem erhalten, auch nicht nach dessen Volljährigkeit. Darüber hinaus müsse sich sein Sohn unabhängig von der Unschuldsvermutung vorhalten lassen, sich vorsätzlich in die Drogenszene begeben und damit bewusst der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt zu haben. A...