Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich kann in dem Verstoß gegen § 6 BauO NRW eine Beeinträchtigung des Eigentums i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB liegen. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 3 BauO NRW begründet jedoch kein Abwehrrecht des Nachbarn, wenn sich die dem Bauvorhaben zuzuordnende Abstandsfläche und die auf dem Grundstück des Nachbarn einzuhaltenden Abstandsflächen nicht auf dem Grundstück des Nachbarn überschneiden.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 23.02.2012; Aktenzeichen 2 O 49/12)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 23.2.2012 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Verfügungskläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A Die Parteien sind Grundstücksnachbarn.

Der Verfügungskläger ist Eigentümer des Grundstücks "J-Straße 18" in F (Gemarkung H, Flur 42, Flurstück 48).

Das Grundstück ist mit einem großen Einfamilienhaus (ca. 315 qm Wohnfläche) bebaut. Das Objekt wurde im Jahre 1910 - seinerzeit wohl als Zweifamilienhaus - errichtet. Der Verfügungskläger erwarb das vorbezeichnete Hausgrundstück durch notariellen Kaufvertrag und Auflassung im November 2010 vom Beklagten. Im April 2011 wurde er als Eigentümer ins Grundbuch von H Blatt 291 eingetragen. Zwischenzeitlich und bereits vor Abschluss des Kaufvertrages nahm der Beklagte Umbauarbeiten in dem Objekt vor, deren Genehmigung er unter dem 6.12.2011 durch die Stadt F - Amt für Stadtplanung und Bauordnung - als Umbau eines Zweifamilienhauses zu einem Einfamilienhaus beantragte (vgl. den Bauantrag in der Hülle Bl. 137). Die Arbeiten betrafen danach im Wesentlichen einen Umbau im Inneren des Gebäudes.

In dem notariellen Kaufvertrag zwischen den Parteien vom 30.11.2010 (UR-Nr. 2408/2010 - Notar Dr. M/Bl. 35 ff.) heißt es unter III. u.a.:

"Weitere Vereinbarungen

1. Das Grundstück des Kaufgegenstandes ist mit einem Einfamilienhaus bebaut, dessen Errichtung ca. im Jahre 1900 erfolgte. Der Verkäufer hat dieses Einfamilienhaus erheblich um- und ausgebaut.

Ferner hat der Käufer das Haus insbesondere mit den in der Inventarliste aufgeführten Zubehörgegenständen ausgestattet.

2. Dies vorausgeschickt garantiert der Verkäufer - soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist - dass

a) (unter der Verpflichtung des Verkäufers, keine weiteren baulichen Änderungen am Kaufgegenstand vorzunehmen) der heutige Zustand des vorhandenen Gebäudes und seine Nutzung in vollem Umfang mit den geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Einklang steht und dabei auch ohne Abweichung genehmigt ist oder die entsprechenden Genehmigungen bereits beantragt wurde, dies namentlich im Bezug auf die vom Verkäufer durchgeführte Sanierung, insbesondere die von ihm veranlassten Um- und Anbauten,

...".

Der Verfügungsbeklagte ist Eigentümer des Nachbargrundstücks "J-Straße 20" (Gemarkung H, Flur 42, Flurstück 140). Dieses Grundstück ist unbebaut gewesen. Der Beklagte hat begonnen, es zu bebauen. Ihm wurde durch die Stadt F am 20.12.2011 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und Garage auf seinem Grundstück (J-Straße 20) erteilt (vgl. Bl. 63 ff.).

Das auf dem klägerischen Grundstück im Jahre 1910 errichtete Wohnhaus steht weniger als 3 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Parteien entfernt. Der genaue Abstand ist streitig.

Mit Schreiben vom 7.12.2011 seiner Prozessbevollmächtigten (Bl. 59 f.) verlangte der Verfügungskläger vom Verfügungsbeklagten die Eintragung einer Abstandsflächenbaulast, nach der der jeweilige Grundstückseigentümer des Grundstücks "J-Straße 20" verpflichtet ist, den Grundstücksstreifen, auf den die Abstandsfläche des Gebäudes "J-Straße 18" reicht, nur mit in der Abstandsfläche zulässigen baulichen Anlagen zu überbauen und diese Flächen nicht auf die auf dem Grundstück "J-Straße 20" erforderlichen Abstandsflächen anzurechnen. Darüber hinaus verlangte er die Übernahme einer inhaltsgleichen Grunddienstbarkeit in das Grundbuch. Der Verfügungsbeklagte ließ dieses Ansinnen durch seine Prozessbevollmächtigten zurückweisen.

Unter dem 6.1.2012 hat der Verfügungskläger Anfechtungsklage gegen die dem Verfügungsbeklagten erteilte Baugenehmigung vor dem VG Gelsenkirchen Az.: - 5 K 105/12 erhoben. Unter dem Aktenzeichen 5 L 112/12 ist zudem vor dem VG Gelsenkirchen ein Eilverfahren anhängig gewesen, in welchem der Verfügungskläger eine Aussetzung der Vollziehung der dem Verfügungsbeklagten erteilten Baugenehmigung beantragt hat. Gegen die zurückweisende Entscheidung des VG vom 12.3.2012 hat der Verfügungskläger Beschwerde vor dem OVG für das Land NRW erhoben. Diese ist durch Beschluss vom 2.5.2012 zurückgewiesen worden (Az.: 10 B 364/12).

Der Verfügungskläger hat behauptet, für das auf seinem Grundstück errichtete Gebäude sei eine Bauerlaubnis durch die Polizeiverwaltung X (Land) am 23.3.1910 erteilt worden, nach welcher ein bestimmter Bereich als Abstandsfläche freigehalten werden müsse. Die Tiefe dies...

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