Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortiges Anerkenntnis bei Zahlungsaufforderungen per Email
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Haftpflichtversicherer gibt bei Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall Veranlassung zur Klage, wenn er auf mehrere vorprozessuale Zahlungsaufforderungen des Geschädigten nicht reagiert. Auf die Frage einer angemessenen Prüfungsfrist für den Versicherer kommt es bei einer fehlenden Reaktion nicht an (vgl. Senat, VersR 2020, 377).
2. Besteht Streit, ob der Versicherer vorprozessual zur Zahlung aufgefordert wurde, trägt er im Rahmen von § 93 ZPO die Beweislast dafür, dass er keine Zahlungsaufforderung erhalten hat.
3. Dem Kläger obliegt in einem solchen Fall eine sekundäre Darlegungslast, dass die vorprozessualen Zahlungsaufforderungen abgeschickt wurden und seinen Bereich verlassen haben. Der Umfang der erforderlichen Darlegungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
4. Behauptet der Kläger, sein Anwalt habe den Versicherer zweimal erfolglos mit spezifizierten Anspruchsschreiben per Email zur Zahlung aufgefordert, hat er die in einem Anwaltsbüro übliche Dokumentation der abgesandten Emails vorzulegen. Dazu gehören Ausdrucke der abgespeicherten Emails, aus denen sich die Email-Adressen von Absender und Empfänger sowie Datum und Uhrzeit der Absendung ergeben. Kann der Kläger eine solche Dokumentation nicht vorlegen, weil sein Rechtsanwalt die abgesandten Emails gelöscht habe, ist wegen der sekundären Darlegungslast des Klägers davon auszugehen, dass der Versicherer vorprozessual nicht zur Zahlung aufgefordert wurde.
Normenkette
ZPO § 91a Abs. 1, § 93
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 4 O 118/20) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 16.04.2021 - 4 O 118/20 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht nach übereinstimmender Erledigung.
Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall vom 28.10.2019 mit seiner Klageschrift vom 09.10.2020 zunächst eine Klage nur gegen die Beklagte Ziffer 1 erhoben. Die Beklagte Ziffer 1 sei nach einem Verkehrsunfall für Haftpflichtansprüche passiv legitimiert gemäß § 6 des Auslandpflichtversicherungsgesetzes. Der Kläger hat von der Beklagten Ziffer 1 Zahlung in Höhe von 15.817,68 EUR verlangt wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs und wegen weiterer Schadenspositionen, die er in der Klageschrift im Einzelnen konkretisiert hat. Die alleinige Verantwortung für den Unfall treffe den Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeugs, für welches die Beklagte Ziffer 1 einzustehen habe. Daher müsse diese den Schaden des Klägers in voller Höhe ersetzen.
Die Beklagte Ziffer 1 ist innerhalb der Frist zur Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 16.11.2020 der Klage zunächst entgegengetreten. Sie habe von dem Unfall und dem behaupteten Schaden des Klägers erstmals mit der Klage erfahren. Aus der Klagebegründung sei eine Aktivlegitimation des Klägers für Schäden aus dem betreffenden Unfall nicht ersichtlich; denn Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs sei offenbar eine andere Person. Außerdem fehlten zu einer Reihe der angegebenen Schadensposten ergänzende Informationen und Unterlagen des Klägers. Mit Schriftsatz vom 09.12.2020 hat der Kläger die Klage gegen den Beklagten Ziffer 2 (Fahrer und Halter des beteiligten Fahrzeugs) erweitert. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten Ziffer 1 hat mit Schriftsatz vom 28.12.2020 angezeigt, dass sie auch den Beklagten Ziffer 2 vertrete.
Im Dezember 2020/Januar 2021 führten die Parteien über ihre Prozessbevollmächtigten einen außergerichtlichen Schriftwechsel über die Regulierung des Unfalls. Im Rahmen dieses Schriftwechsels legte der Kläger zur Begründung der Forderung und zu den einzelnen Schadensposten verschiedene ergänzende Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 11.01. und 12.01.2021 einigten sich die Parteien außergerichtlich über die Regulierung des Unfalls; der Schaden des Klägers wurde von der Beklagten Ziffer 1 - mit geringen einvernehmlichen Abzügen bei einzelnen Schadensposten - reguliert. Die Parteien kamen außergerichtlich jedoch zu keiner Einigung hinsichtlich der Kostenfrage.
Mit Schriftsätzen vom 10.04.2021 und vom 12.04.2021 haben die Parteien den Rechtsstreit vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt erklärt. Gleichzeitig haben sie gegenläufige Kostenanträge gestellt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kosten des Verfahrens seien den Beklagten aufzuerlegen, da diese Veranlassung für die Klage gegeben hätten. Der Kläger habe mit Emails vom 23.12.2019 und vom 25.01.2020 an das von der Beklagten Ziffer 1 beauftragte Regulierungsbüro (A. GmbH in Hamburg), jeweils mit einem beigefügten spezifizierten Anspruchsschreiben, zur Zahlung aufgefordert. Da die Beklagten bis zur Klageerhebung im Oktober 2020 keine Reaktion gezeigt hätten, sei dem Kläger keine andere Mögli...