Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag auf Todeserklärung ist nach Ablauf der einjährigen Frist des § 7 VerschG zulässig, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Verschollene in eine Lebensgefahr geraten war.
2. Eine Lebensgefahr im Sinne des § 7 VerschG kann auch vorliegen, wenn sich der Verschollene im Verlauf eines - unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten, seiner Widerstandskraft und Ausrüstung - ungefährlichen Vorhabens aufgrund eines eigenen Entschlusses in eine Situation bringt, in der sein Leben in ungewöhnlichem Maße bedroht ist.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 735 II 1/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 27.09.2023, Az. 735 II 1/23, aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzusetzen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Todeserklärung gemäß §§ 2, 7 VerschG.
A ist am 19.04.1966 geboren. Die Beteiligte Ziffer 1 ist seine Ehefrau, die Beteiligte Ziffer 2 seine Mutter.
Die Beteiligte Ziffer 1 hat beantragt, A für tot zu erklären; die Beteiligte Ziffer 2 ist diesem Antrag beigetreten. Die Antragstellerinnen tragen zur Begründung vor, dass sich der Betroffene am 06.09.2021 in der Schweiz zu einer Bergwanderung aufgemacht habe. Der beabsichtigte Weg habe vom Furkapass zum Galenstock oberhalb des Sidelengletschers geführt. Nachdem der Betroffene sich nicht mehr gemeldet habe und nicht nach Hause zurückgekehrt sei, habe eine intensive Suche der Schweizer Polizei stattgefunden. Diese sei zu dem Schluss gekommen, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 200 Meter tief in einen Bergschrund gestürzt und zu Tode gekommen sei. Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass aufgrund der objektiven Gefährlichkeit des Gebiets, in dem der Betroffene gewandert sei, ein Fall der Gefahrverschollenheit im Sinne von § 7 VerschG vorliege, weshalb eine Frist von einem Jahr für die Todeserklärung gelte.
Das Amtsgericht hat über die Polizeidirektion F die Ermittlungsakten der Kantonspolizei U beigezogen, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 16.05.2023, auf deren Inhalt verwiesen wird, die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Gefahrverschollenheit seien nicht hinreichend dargetan, da der Betroffene gut ausgerüstet und nach den Angaben der Beteiligten Ziffer 1 ein erfahrener und besonnener Bergsteiger gewesen sei. Nachdem die Beteiligte Ziffer 1 mit Schriftsatz vom 29.06.2023, auf dessen Inhalt verwiesen wird, auf die von der Kantonspolizei U ermittelte, konkrete Situation verwiesen hatte, hielt die Staatsanwaltschaft nicht an dieser Auffassung fest; auf deren Stellungnahme von 22.08.2023 wird verwiesen.
Mit Beschluss vom 27.09.2023 hat das Amtsgericht den Antrag auf Todeserklärung zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass die gemäß § 3 VerschG erforderliche Frist von zehn Jahren noch nicht verstrichen sei. Die Voraussetzungen des § 7 VerschG würden nicht vorliegen, denn der Betroffene habe sich nicht in einer Lage befunden, in der der Eintritt eines lebensgefährlichen Unglücks wahrscheinlich gewesen sei. Die gewählte Tour habe keine besondere Gefahr begründet und die Wetterverhältnisse seien gut gewesen. Es komme darauf an, dass sich der Betroffene bei Antritt der Bergtour in keine konkrete Lebensgefahr begeben habe.
Die Beteiligte Ziffer 2 hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 24.10.2023 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf den Inhalt der Akten wird verwiesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet; dies führt zu einer Aufhebung des Beschlusses und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Das Aufgebotsverfahren ist durchzuführen, da die Antragstellerinnen die Voraussetzungen hierfür gemäß § 18 VerschG glaubhaft gemacht haben.
1. Glaubhaft gemacht ist, dass der Betroffene im Sinne von § 1 VerschG verschollen ist. Aus den Darlegungen der Antragstellerinnen und den polizeilichen Ermittlungen ergibt sich, dass seit dem 06.09.2021 Zweifel an seinem Fortleben bestehen. Die Kantonspolizei hat in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass der Betroffene mit hoher Wahrscheinlichkeit an diesem Tag durch einen Bergunfall zu Tode gekommen ist. Zugleich genügen die polizeilichen Feststellungen derzeit nicht, um im Sinne von § 1 Abs. 2 VerschG ohne jeden Zweifel vom Tod des A auszugehen.
2. Die Antragstellerinnen sind gemäß § 16 Abs. 2c VerschG berechtigt, den Antrag auf Todeserklärung zu stellen.
3. Der Antrag ist vor Ablauf der zehnjährigen Frist des § 3 VerschG zulässig, denn die Antragstellerinnen haben glaubhaft gemacht, dass die Verschollenheit des Betroffenen auf einem Grund beruht, der unter § 7 VerschG fällt. Dabei genügt es für die Glaubhaftmachu...