Leitsatz (amtlich)
Eine rechtlich gebotene Rückführung eines Pflegekindes zur Mutter ist durch die Anordnung von sorgerechtlichen Maßnahmen gemäß § 1666 Abs. 1, Abs. 3 BGB auch gegenüber dem Jugendamt und den Pflegeeltern sicherzustellen, wenn diese den Rückführungsprozess nicht unterstützen.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 39 F 2044/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Jugendamtes wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 20.07.2023 abgeändert und in Ziffer 1 des Tenors wie folgt neu gefasst:
a) Der Verfahrensbeistand hat die gerichtliche Entscheidung unter fachlicher Begleitung der Heilpädagogin dem Kind K. mitzuteilen und zu erklären.
b) Der Mutter wird aufgegeben, die Heilpädagogik des Kindes fortzuführen, sich als sorgeberechtigte Mutter in der Praxis vorzustellen und Elterngespräche wahrzunehmen.
c) Der Mutter wird aufgegeben, unverzüglich eine Sozialpädagogische Familienhilfe für ihren Haushalt zu beantragen und mit dieser zusammenzuarbeiten.
d) Dem Jugendamt wird aufgegeben, das Beratungsthema der bereits bewilligten systemischen Familientherapie bei E & K. auf das Thema Begleitung der Rückführung auszudehnen.
e) Die Pflegeeltern werden verpflichtet, der Mutter das Kind K. zu unbegleiteten Umgängen zu folgenden Zeiten herauszugeben:
aa) Am Samstag, den 20.01.2024, von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Bei diesem Umgang darf Herr M. nicht anwesend sein und die Mutter darf sich mit dem Kind nur in B. aufhalten.
bb) In der 4. bis 6. Kalenderwoche 2024 jeweils samstags von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr.
cc) In der 7. bis 10. Kalenderwoche 2024 jeweils samstags von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr.
dd) In der 11. und 12. Kalenderwoche 2024 jeweils von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 14.00 Uhr mit einer Übernachtung.
ee) In den Osterferien 2024 vom 01.04.2024, 10.00 Uhr, bis zum 03.04.2024, 14.00 Uhr mit zwei Übernachtungen.
ff) In der 15. und 16. sowie der 18. und 19. Kalenderwoche 2024 jeweils von Freitag, 15.00 Uhr, bis Sonntag, 14.00 Uhr, mit zwei Übernachtungen.
gg) In den Pfingstferien 2024 vom 25.05.2024, 10.00 Uhr, bis zum 01.06.2024, 14.00 Uhr, mit sieben Übernachtungen.
hh) In der 24. und 25. sowie der 27. und 28. Kalenderwoche 2024 jeweils von Freitag, 15.00 Uhr, bis Sonntag, 16.00 Uhr, mit zwei Übernachtungen.
Die Mutter wird das Kind K. jeweils auf dem Spielplatz im Kurpark B. übernehmen und wieder dorthin zurückbringen.
Mit Ausnahme des ersten Umgangs am 20.01.2024 ist die Mutter berechtigt, das Kind K. mit in ihre Wohnung zu nehmen und weitere Personen am Umgang teilnehmen zu lassen.
f) Die Pflegeeltern werden verpflichtet, das Kind K. am 27.07.2024 auf Dauer an die Mutter herauszugeben.
g) Der Mutter wird aufgegeben, bis zur endgültigen Rückführung zum 27.07.2024 das Kind K. nach jedem Kontakt an die Pflegeeltern wieder herauszugeben.
h) Im Übrigen wird die Beschwerde des Jugendamtes zurückgewiesen.
i) Die Beschwerde der Pflegeeltern wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR festgesetzt.
4. Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der Ziffer 4 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 20.07.2023 auf 8.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind sorgerechtliche Maßnahmen für die 7-jährige K. sowie die Frage, ob das Kind zu ihrer Mutter zurückzuführen oder eine Verbleibensanordnung zu treffen ist.
Frau M., geb. D., ist die allein sorgeberechtigte Mutter der Kinder K. und L. Der Vater von K., Herr G., ist verstorben.
Für die Mutter wurde mit ihrem Einverständnis am 09./10.09.2020 aufgrund einer posttraumatischen Störung mit derzeitiger Überforderung eine gesetzliche Betreuung angeordnet und Frau N. zur Betreuerin für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vertretung in Kindschaftssachen bestellt (I, 21 ff. und Gutachten: S. 115 f.). Die Betreuung wurde im Oktober 2023 beendet.
Die Mutter wurde im Alter von 6 Jahren im A.-Heim untergebracht. Nach einer kurzzeitigen Rückkehr zu ihrer Mutter (im Folgenden: Großmutter m.s.) wechselte sie im Alter von 8/9 Jahren erneut ins A.-Heim. Im Alter von 10 - 14 Jahre lebte die Mutter im Haus R. und im Alter von 14 bis 17 im Mädchen-Internat, wo sie ihren Hauptschulabschluss machte.
Danach wohnte die Mutter ca. 6 Monate bei ihrem Vater (im Folgenden: Großvater m.s.), dann ca. 1 Jahr bei der Großmutter m.s. und anschließend bei ihrem Freund G., der noch bei seiner Mutter, Frau G. (im Folgenden: Großmutter v.s.) lebte. Im August 2016 verwies die Großmutter v.s. die Mutter, die von G. schwanger war, aus der Wohnung.
Die schwangere Mutter nahm Kontakt zum Jugendamt auf und zog in die Mutter-Kind-Einrichtung. K. wurde 2016 geboren. Eine erneute...