Leitsatz (amtlich)
Wird eine Blutentnahme wegen des dringenden Verdachts einer Trunkenheitsfahrt von einem Polizeibeamten und nicht von einem Richter angeordnet, so führt dieser Verfahrensverstoß nicht zwingend zu einem Beweisverwertungsverbot. Auch bei gesetzlich geregelten Eingriffen in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit folgt aus Verstößen gegen die Verfahrensvorschriften nur dann die Unverwertbarkeit, wenn nach Abwägung aller Umstände das Recht des Beschuldigten das Strafverfolgungsinteresse überwiegt. Dies ist bei der Blutentnahme nicht der Fall, da sie nur unter einem einfachgesetzlichen Richtervorbehalt steht, mit einem relativ geringfügigen Eingriff verbunden ist und dem hochrangigen Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit im Straßenverkehr dient. Das gilt auch dann, wenn sich der einschreitende Polizeibeamte auf eine allgemeines Dienstanweisung seiner übergeordneten Behörde bezieht, die zwar im Widerspruch zu § 81a Abs. 2 StPO steht, aber der zum Zeitpunkt ihre Erlasses h.M. in der Rechtsprechung entspricht.
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts X. vom 15. September 2008 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Y. verurteilte den Angeklagten am 13.06.2008 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 60 EUR, entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein ein und wies die Verwaltungsbehörde an, ihm vor Ablauf von zwölf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit Urteil vom 15.09.2008 verwarf das Landgericht X die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten, ermäßigte jedoch den Tagessatz auf 55 EUR und verkürzte die Sperrfrist auf neun Monate. Nach dem festgestellten Sachverhalt hatte der Angeklagte am 12.04.2008 gegen 17.10 Uhr mit dem Pkw VW Passat mit dem amtl. Kennzeichen in R. u.a. die K-Straße befahren, obwohl er - was er hätte erkennen können - wegen vorangegangen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen war. Die ihm um 17.39 Uhr entnommene, nach Durchführung eines Atemalkoholtests mit einer festgestellten Atemalkoholkonzentration von 1,03 mg/l von PHK C zuvor angeordnete Blutprobe ergab eine BAK von 2,38 Promille. Nach den getroffenen Feststellungen hielt sich PHK C. zur Anordnung der Blutentnahme aufgrund einer Dienstanweisung des Polizeipräsidiums Z vom 25.01.2008 für befugt. Diese hat - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut:
,"Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfte bei folgenden typischen Eingriffssituationen in der Regel Gefahr im Verzug vorliegen und eine sofortige Maßnahme der Polizei zu jeder Tages- bzw. Nachtzeit gerechtfertigt sein: Blutentnahme zur Feststellung von Alkoholeinfluss bei Strar3enverkehrsdelikten ..."
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts und macht geltend, die Strafkammer habe das Ergebnis der ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe nicht verwerten dürfen.
Der Revision bleibt ein Erfolg versagt.
Dabei kann der Senat im Hinblick auf die erhobene Verfahrensrüge offen lassen, ob diese bereits deshalb unzulässig ist, weil sie sich nicht zur Frage verhält, ob der Angeklagte der Verwertung dar Blutprobe in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Y. bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widersprochen hat (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 2269 ff.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg NZV 2008, 362 ff.; OLG Hamm NJW 2009, 242 ff.; Prittwitz SW 2008, 486 ff., 452 ff,), denn die Rüge erweist sich jedenfalls als unbegründet.
1.
Nach § 81 a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Entnahme von Blutproben grundsätzlich und originär dem Richter und nur ausnahmsweise und subsidiär bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung der Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungspersonen zu. Deshalb müssen die Strafverfolgungsbehörden, falls der Beschuldigte nicht in die Blutentnahme einwilligt, wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes vor Inanspruchnahme der ihnen ausnahmsweise zustehenden Eilanordnungskompetenz grundsätzlich und regelmäßig versuchen, eine Entscheidung des zuständigen Richters einzuholen (BVerfG NJW 2007, 1345 f.; siehe auch BVerfGE 103, 142 ff. 155) , Auch muss im Falle der selbständigen Anordnung der Maßnahme die Gefährdung des Untersuchungserfolges von der Staatsanwaltschaft bzw. deren Ermittlungspersonen mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und zeitnah in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, wobei hiervon nur dann ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn die Dringlichkeit der Maßnahme evident ist (BVerfG a.a.O., OLG Karlsruhe StV 2005, 376; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., 2008, § 81a Fn. 25). Allerdings führt nicht jede ungerechtfertigte Inanspruchnahme der sich aus § 81a Abs. 2 StPO ergebenden Eilanordnungskompetenz und jeder Verstoß gegen die diesbezüglich bestehende Dokumentationspflicht zur Annahme eines Verbots der Verwertung des Ergebnisses der entnommenen Blut...