Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafrecht. Zu den Auswirkungen fehlender Übersetzung einer die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufenden Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Weder § 187 GVG noch Art. 6 MRK finden im Strafvollstreckungsverfahren Anwendung.
2. Die Zustellung eines die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufenden Beschlusses an einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Verurteilten ist deshalb nicht unwirksam, weil dem Beschluss keine Übersetzung beigefügt war.
3. Die fehlende Übersetzung kann aber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung rechtzeitiger Einlegung der sofortigen Beschwerde begründen.
Normenkette
GVG § 187 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; EMRK Art. 6 Abs. 1, 3 Buchst. e); StPO § 44 S. 1
Verfahrensgang
AG Kenzingen (Entscheidung vom 11.12.2018) |
AG Emmendingen (Entscheidung vom 10.03.2017) |
AG Emmendingen (Entscheidung vom 18.03.2017) |
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 11.07.2019; Aktenzeichen 2 Qs 61/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 11.7.2019 wird mit der Maßgabe kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen, dass der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kenzingen Z. vom 11.12.2018 unzulässig ist.
Gründe
I.
Mit am 18.3.2017 rechtskräftig gewordenem Urteil des Amtsgerichts Emmendingen X. vom 10.3.2017 wurde der aus Gambia stammende Andress A. Jadama J. (das Urteil weist abweichende Schreibweisen des Nachnamens - Jadame J. - und des Geburtsorts - Tujering Y. - aus) wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem der Verurteilte die Auflage zur Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung nicht vollständig erfüllt hatte, widerrief das zwischenzeitlich zuständige Amtsgericht Kenzingen Z. mit Beschluss vom 11.12.2018 die Strafaussetzung zur Bewährung, wobei vom Verurteilten erbrachte Zahlungen dergestalt angerechnet wurden, dass zwei Monate der Strafe als vollstreckt gelten. Dieser Beschluss, dem keine Übersetzung und nur eine Rechtsmittelbelehrung in deutscher Sprache beigefügt war, wurde dem Verurteilten am 12.12.2018 durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt. Nachdem er Ladungen zum Strafantritt in dieser und einer weiteren Sache - hier mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 4.1.2019 - nicht nachgekommen war, wurde er auf der Grundlage deshalb erlassener Vorführungsbefehle am 28.2.2019 festgenommen und zur Strafvollstreckung in die Justizvollzugsanstalt Freiburg A. verbracht.
Mit am 24.5.2019 eingekommenem Verteidigerschriftsatz legte der Verurteilte gegen den Widerrufsbeschluss sofortige Beschwerde, verbunden mit dem hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Dabei wurde geltend gemacht, dass die Zustellung des angefochtenen Beschlusses mangels Beifügung einer Übersetzung unwirksam gewesen sei. Ergänzend wurde vorgetragen, dass der Verurteilte erst bei einer Besprechung mit seinem Verteidiger am 17.5.2019 von den Rechtsmittelmöglichkeiten in Bezug auf den Widerrufsbeschluss Kenntnis erlangt habe.
Das Landgericht Freiburg wies mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.7.2015, zugestellt am 15.7.2019, den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurück und verwarf die sofortige Beschwerde als unbegründet. Mit seiner am 22.7.2019 eingelegten sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen die Verwerfung seines Wiedereinsetzungsantrags. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Hierauf hat der Verurteilte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26.8.2019 erwidert.
II.
Die gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Entgegen der vom Verurteilten zunächst vertretenen Auffassung ist die Zustellung des Widerufsbeschlusses am 12.12.2018 wirksam erfolgt. Soweit in diesem Zusammenhang vom Verurteilten bemängelt wird, dass der Beschluss nicht in eine für ihn verständliche Sprache übersetzt war, geht der Senat im Hinblick darauf, dass zu den Hauptverhandlungen in den gegen den Verurteilten geführten Strafverfahren jeweils ein Dolmetscher zugezogen war, zwar davon aus, dass der Verurteilte bei Zustellung des Widerrufsbeschlusses der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war. Gleichwohl bestand eine Verpflichtung zur Übersetzung des Widerrufbeschlusses nicht.
Eine solche Verpflichtung ergibt sich insbesondere nicht aus § 187 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 GVG. Zwar werden dadurch Übersetzungsleistungen gewährleistet, soweit sie zur Ausübung der strafprozessualen Rechte erforderlich sind, wozu in der Regel die Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen gehört. Die A...