Leitsatz (amtlich)
1.
Gehen innerhalb der Frist zur Einlegung der Berufung zum Umfang der Anfechtung des Urteils divergierende Erklärungen des Angeklagten (hier: Einlegung einer unbeschränkten Berufung) und seines Verteidigers (hier: Einlegung einer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung) ein, so gebührt der Erklärung des Angeklagten der Vorrang. Dies gilt auch dann, wenn sich die Divergenz erst aus der zeitlich nachfolgenden Erklärung des Verteidigers ergibt.
2.
Bestehen für das Berufungsgericht - hier auf Grund eines Schreibens des Mitangeklagten - Anhaltspunkte dafür, dass eine vom Verteidiger erklärte Beschränkung der Berufung nicht vom Willen des Angeklagten getragen und von der Ermächtigung nach § 297 StPO, auch ein nur beschränktes Rechtsmittel einzulegen, gedeckt ist, darf die Beschränkung bis zu einer Klärung zum gewollten Umfang der Anfechtung durch Rücksprache beim Angeklagten und/oder seinem Verteidiger nicht beachtet werden.
3.
Der Weg zu einer Neubeurteilung des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit (hier: § 263 Abs.3 Ziffer 1 StGB) durch das Berufungsgericht eröffnet sich nur über eine Berufung, die nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist (im Anschluss an BayObLGSt 2002, 152).
Tenor
1.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts K. vom 16.05.2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts K. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts K. vom 17.03.2003 wurde der Angeklagte M. H. wegen Betrugs im besonders schweren Fall in 86 Fällen, davon in 58 Fällen gemeinschaftlich handelnd und in drei Fällen in Tateinheit mit Missbrauch von Titeln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte H. B. wurde wegen gemeinschaftlichen Betrugs im besonders schweren Fall in 58 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und Acht Monaten verurteilt. Nach Auffassung des Amtsgerichts ergab sich bei beiden Angeklagten die besondere Schwere der Betrugstaten aus der gewerbsmäßigen Begehungsweise (§ 263 Abs. 3 Ziff. 1 StGB). Auf die Berufung der Angeklagten änderte das Landgericht K. durch Urteil vom 16.05.2003 das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ab, dass es den Angeklagten H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten B. zu einer solchen von zwei Jahren und drei Monaten verurteilte. Gegen dieses Urteil haben beide Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt.
II.
Die von den Angeklagten erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils, weil es die Kammer versäumt hat, eigene Feststellungen zum Schuldspruch und hier insbesondere zur Frage der gewerbsmäßigen Begehungsweise zu treffen. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft war insoweit eine Teilrechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils durch eine Beschränkung der Berufungen der Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch nicht eingetreten. Die Berufung des Angeklagten H. war erkennbar nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Berufung des Angeklagten B. hätte als unbeschränkt behandelt werden müssen, da die von seinem Verteidiger erklärte Beschränkung unwirksam war.
III.
Nach Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils am 17.03.2003 legte für den Angeklagten H. dessen Pflichtverteidiger durch Schreiben vom 18.03.2003, eingegangen beim Amtsgericht am 20.03.2003, Berufung ein, die er durch Schreiben vom 20.03.2003, eingegangen beim Amtsgericht am 24.03.2003, auf das Strafmaß beschränkte. Für den Angeklagten B. legte dessen Pflichtverteidiger durch Schreiben vom 18.03.2003, eingegangen beim Amtsgericht am 21.03.2003, Berufung ein, die er zugleich auf das Strafmaß beschränkte. Nähere Ausführungen zum Ziel der Berufungen enthielten die Schriftsätze der Verteidiger nicht.
§ 297 StPO konstituiert für gewählte oder vom Gericht bestellte Verteidiger eine begrenzte Befugnis, im eigenen Namen für den Angeklagten Rechtsmittel einzulegen (BGHSt 12, 370; LR-Hanack, StPO, § 297 Rn 1). Die Vorschrift begründet zugleich - solange keine gegenteilige Erklärung des Angeklagten vorliegt - eine entsprechende Vermutung für diese Befugnis, von welcher der Verteidiger auch dergestalt Gebrauch machen kann, dass er die Berufung - von vornherein oder durch nachträgliche Konkretisierung einer zunächst unbeschränkt eingelegten Berufung - auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Da eine Beschränkung der Berufung - sofern Gegenteiliges nicht ersichtlich ist - jedenfalls innerhalb der Berufungseinlegungsfrist weder als Teilverzicht noch als Teilrücknahme angesehen werden kann, bedarf es hierfür einer besonderen Ermächtigung gemäß § 302 Abs. 2 StPO nicht (BGHSt 38, 4, 5; 366 f.; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 302 Rn 29 ff.; einschränkend OLG Koblenz, NStZ-RR 2001, 247, für den Fall, dass die Beschränkung des Rechtsmittels vom Verteidiger erst nach Ablauf der Frist zur Begründu...