Entscheidungsstichwort (Thema)
Besondere Ermächtigung des Verteidigers für die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen. rechtsmissbräuchliche Berufung des Verteidigers auf die fehlende besondere Ermächtigung
Leitsatz (amtlich)
Bei Beurteilung der Frage, ob eine besondere Ermächtigung i.S.d. § 302 Abs. 2 StPO vorliegt, sind der zeitliche Zusammenhang zwischen Vollmachtserteilung und Hauptverhandlung sowie Erklärungen des Verteidigers im Lauf des Verfahrens in und außerhalb von Hauptverhandlungen heranzuziehen. Die Gesamtbeurteilung dieser Umstände kann zudem ergeben, dass die erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgende Berufung auf eine angeblich fehlende Ermächtigung rechtsmissbräuchlich ist.
Normenkette
StPO § 302 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Entscheidung vom 16.06.2020; Aktenzeichen 20 OWi 65 Js 65782/19) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 16. Juni 2020 wird mit der Maßgabe als unbegründet
verworfen,
dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 16. April 2019 verhängte die Landeshauptstadt Stuttgart gegen den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeugs am 30. September 2018 unter der Wirkung eines berauschenden Mittels eine Geldbuße von 500,- €, ein Fahrverbot von einem Monat und räumte ihm die Viermonats-Frist gemäß § 25 Abs. 2a StVG ein. Dem Einspruchsschreiben des Verteidigers vom 2. Mai 2019 war keine Vollmachtsurkunde beigefügt.
Im ersten Hauptverhandlungstermin am 15. Oktober 2019 vor dem Amtsgericht erklärte der Verteidiger die Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch; der Betroffene war antragsgemäß von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden. Nach Vertagung der Hauptverhandlung, mehrmaliger Aufhebung von Hauptverhandlungsterminen und Anregungen des Verteidigers gegenüber dem Amtsgericht, im Beschlusswege ohne Hauptverhandlung und ohne ausführliche Begründung zu entscheiden, verurteilte das Amtsgericht den wiederum antragsgemäß von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen am 16. Juni 2020 zu der Geldbuße von 500,- € und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat. Der Verteidiger hatte in diesem Termin erklärt, dass der Tatvorwurf vollumfänglich eingeräumt werde und es nur "um die Rechtsfolgen" gehe; das Amtsgericht hielt im Protokoll fest, dass die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen bereits im Hauptverhandlungstermin vom 15. Oktober 2019 erklärt worden sei.
Der Verteidiger begründete die namens des Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde mit der allgemeinen Sachrüge und rügte die festgesetzten Rechtsfolgen. Erstmals in seiner Gegenerklärung zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft rügte er die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs. Diese habe er ohne die gemäß § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG, § 302 Abs. 2 StPO erforderliche "ausdrückliche Ermächtigung" des Betroffenen erklärt; daher treffe das Urteil keine ausreichenden Feststellungen.
II.
Gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG hat der nach § 80a Abs. 1 OWiG zuständige Richter die Sache dem Bußgeldsenat übertragen, da es geboten erscheint, das Urteil zur Fortbildung des Rechts - Auslegung des § 302 Abs. 2 StPO - nachzuprüfen.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Sie betrifft infolge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen; die insoweit beschränkte Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG).
1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat auf die Sachrüge von Amts wegen zu prüfen, ob der Tatrichter zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. November 1976 - 1 StR 319/76 - juris Rn. 7 zur Berufung und Revision; OLG Bamberg, Beschluss vom 8. Februar 2019 - 2 Ss OWi 123/19 - juris Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4). Dies ist schon deshalb geboten, weil es einerseits um die Frage der Teilrechtskraft und damit auch den Prüfungsgegenstand des Rechtsbeschwerdegerichts geht und andererseits von der Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung der Umfang der erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen abhängt.
2. Das Amtsgericht ist zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen mit der Folge, dass der Bußgeldbescheid im Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist. Die beschränkte Einlegung des Einspruchs führt zu einer Bindungswirkung hinsichtlich der nicht angegriffenen Teile des Bußgeldbescheides; das Gericht darf diese Teile nicht überprüfen (vgl. KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl., § 67 Rn. 58).
Im Einzelnen:
a) Die nachträgliche Beschränkung - wie hier auf den Rechtfolgenausspruch - des zunächst unbesc...