Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr auch bei Mehrvergleich
Normenkette
RVG § 15 Abs. 3; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 3-4
Verfahrensgang
AG Lörrach (Beschluss vom 01.05.2010; Aktenzeichen 10 F 567/07) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagtenvertreterin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Lörrach vom 1.5.2010 - 10 F 567/07 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die von dem Beklagten an die Beklagtenvertreterin auf Grund des Vergleichs des OLG Karlsruhe vom 23.9.2009 - 5 UF 234/07 - zu erstattenden Kosten werden auf 2.416,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2010 festgesetzt.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das Rechtsmittel richtet sich auf die zutreffende Durchführung der Anrechnung der Geschäftsgebühr Nr. 2300 RVG-VV und um die Höhe der Terminsgebühr im Fall eines Vergleichs unter Einbeziehung bisher nicht rechtshängiger Ansprüche.
Im Berufungsverfahren des OLG Karlsruhe 5 UF 234/07 stritten die Parteien um Trennungsunterhalt. Der Streitwert des Verfahrens betrug 13.478 EUR. Das Verfahren wurde im Termin vom 23.9.2009 durch Vergleich erledigt, in dem auch bisher nicht rechtshängige Ansprüche erledigt wurden. Der Mehrwert des Vergleichs betrug 28.510 EUR. Das Rechtsmittel richtet sich auf die Frage, ob eine Terminsgebühr auch insoweit angefallen ist, als der Vergleich einen Mehrwert hat.
Die Beklagtenvertreterin hatte den Beklagten bereits vor dem Berufungsverfahren außergerichtlich vertreten. Hierdurch sind Geschäftsgebühren aus Nr. 2300 RVG-VV angefallen, die teilweise auf die im gerichtlichen Verfahren angefallenen Verfahrensgebühren anzurechnen sind. Gleichzeitig ist zu beachten, dass für die im Berufungsverfahren angefallenen Verfahrensgebühren (aus einem Streitwert von 13.478 EUR) und die aus dem Mehrwert des Vergleichs angefallenen Verfahrensgebühren (aus einem Streitwert von 28.510 EUR) einerseits einem unterschiedlichen Gebührensatz (1,6 bzw. 1,1) unterliegen, andererseits gem. § 15 Abs. 3 RVG aber auch keine höheren Gebühren als aus dem zusammengesetzten Streitwert (41.988 EUR) entstehen dürfen (sog. Kappungsgrenze). Vorliegend ist streitig, ob die anzurechnenden Geschäftsgebühren gem. Nr. 2300 RVG-VV vor Ermittlung der Kappungsgrenze oder danach abzusetzen sind.
Die Beklagtenvertreterin begehrt die Festsetzung der Gebühren gegen den Beklagten gem. § 11 RVG.
In dem angefochtenen Beschluss hat das AG zunächst die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren und den Mehrwert des Vergleichs unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze gem. § 15 Abs. 3 RVG errechnet und von dem ermittelten Betrag die anzurechnenden Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 RVG-VV abgesetzt. Für den Mehrwert des Vergleichs hat es eine Terminsgebühr nicht festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagtenvertreterin, der das AG nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 11 Abs. 2 RVG und 104 Abs. 3 ZPO zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
1. Die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV hat gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV auf die wegen desselben Gegenstandes später anfallende Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV zu erfolgen vor der Ermittlung der Verfahrensgebühr gem. § 15 Abs. 3 RVG und nicht auf diese (Leitsatz OLG Stuttgart, JurBüro 2009, 246)
Das OLG Stuttgart hat hierzu ausgeführt:
Ausgehend vom Wortlaut der Anrechnungsvorschrift gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV und der Rechtsprechung des BGH ist von Folgendem auszugehen: Die Anrechnungsvorschrift bezweckt unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt die Kürzung der Verfahrensgebühr, weil der Prozessbevollmächtigte auf Grund seiner vorprozessualen Befassung mit dem Streitstoff in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat. Dementsprechend besagt Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV, dass die Anrechnung vorzunehmen ist, wenn "wegen desselben Gegenstands" die vorgerichtliche Geschäftsgebühr und die gerichtliche Verfahrensgebühr entstanden sind. Hierfür spricht außerdem, dass der BGH (u.a. BGH NJW 2007, 3500; BGH NJW 2008, 1323) klargestellt hat, dass sich allein die wegen desselben Gegenstands später anfallende Verfahrensgebühr infolge der Anrechnung reduziert durch den anrechenbaren Teil der zuvor entstandenen Geschäftsgebühr, die ihrerseits von der Anrechnung unangetastet bleibt.
Der Senat schließt sich dieser Bewertung an. Dagegen spricht im Ergebnis nicht die Überlegung des AG, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach der für den Kostenpflichtigen günstigsten Berechnungsmethode zu erfolgen hat. Das Gebührenrecht sucht einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Partei und des Rechtsanwalts. Einen Grundsatz, dass im Zweifel immer zugunsten der Partei zu entscheiden ist, gibt es hierbei nicht. Vorliegend ist eine pauschale Entscheidung zugunsten der Partei sachlich auch deswegen nicht überzeugend, weil der Grund der A...