Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitwirkende Verursachung durch Vorerkrankungen in der Unfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine mitwirkende Verursachung des Todes durch Vorerkrankungen gem. § 182 VVG ist nur anzunehmen, wenn feststeht, dass der (unfallbedingte) Tod des Versicherungsnehmers ohne die Vorerkrankungen nicht eingetreten wäre. Für den Nachweis der Mitverursachung, der dem Versicherer obliegt, ist ein Vollbeweis gem. § 286 Abs. 1 ZPO erforderlich.
2. Stirbt ein 75-jähriger Versicherungsnehmer nach dem unfallbedingten Bruch eines Oberschenkelknochens, weil im Krankenhaus Dekubitus-Geschwüre auftreten, die zu einer tödlichen Sepsis führen, kann eine Mitverursachung des Todes durch Vorerkrankungen, wie z.B. bei einer arteriellen Verschlusskrankheit, nahe liegen. Für den Nachweis einer Mitverursachung i.S.v. § 182 VVG reicht dies jedoch nicht aus, weil bei einem 75-jährigen Pateinten - auch ohne Vorerkrankungen - generell ein Risiko besteht, dass bei einem stationären Krankenhausaufenthalt Dekubitus-Geschwüre auftreten, die u U. auch zu einer tödlich verlaufenden Sepsis führen können.
Normenkette
VVG § 182; ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 21.06.2013; Aktenzeichen 1 O 206/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 21.6.2013 - 1 O 206/12 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 52.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 4.1.2012 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von der Verpflichtung zur Begleichung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 1.761,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2012, sowie einer Auslage zur Akteneinsicht bei der Universitätsklinik Freiburg i.H.v. 79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.5.2012 gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt H., Freiburg, freizustellen.
II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Vater der Klägerin, J. X., unterhielt bei der Beklagten eine Lebensversicherung. Eingeschlossen war eine Unfalltod-Zusatzversicherung mit einer Versicherungssumme von 52.000 EUR. Für diese sollten die "Bedingungen für die Unfalltod-Zusatzversicherung" der Beklagten gelten (Anlage B 1; im Folgenden abgekürzt "Bedingungen"). Diese enthielten u.a. in § 4 folgende Regelung:
"Haben zur Herbeiführung des Todes neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen zu mindestens 25 Prozent mitgewirkt, vermindert sich unsere Leistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung."
Bei einem häuslichen Sturz erlitt der zu diesem Zeitpunkt 75-jährige Vater der Klägerin am 6.7.2011 eine Femurfraktur (Bruch des Oberschenkelknochens) links. Er wurde stationär in die Universitätsklinik Freiburg aufgenommen und dort operiert. In den folgenden Wochen befand sich der Vater der Kläger nach mehrfachen Verlegungen stationär in verschiedenen Krankenhäusern. Es entwickelten sich Dekubitus-Geschwüre im Bereich der linken Ferse und des linken Unterschenkels. Diese führten am 16.8.2011 zu einer Unterschenkelamputation, und in der Folgezeit zu einer Sepsis, an welcher der Vater der Klägerin am 21.8.2011 verstarb.
Die Klägerin, welche nach den vertraglichen Vereinbarungen für Leistungen der Beklagten aus dem Vertrag mit ihrem Vater bezugsberechtigt ist, hat vor dem LG Zahlung der Unfalltod-Zusatzversicherung i.H.v. 52.000 EUR nebst Zinsen verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Tod ihres Vaters beruhe auf dem häuslichen Unfall vom 6.7.2011. Denn ohne die Femur-Fraktur wäre es nicht zum Krankenhausenthalt und nicht zum Tod ihres Vater durch eine Sepsis gekommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, der Tod ihres Versicherungsnehmers sei allein durch unfallunabhängige Vorerkrankungen (Niereninsuffizienz und arterielle Verschlusskrankheit) verursacht worden.
Das LG hat zu der Frage, welche Ursachen für den Tod des Vaters der Klägerin bestimmend waren, ein medizinisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. eingeholt. Mit Urteil vom 21.6.2013 hat das LG der Klägerin 26.000 EUR nebst Zinsen, also die Hälfte der vereinbarten Versicherungssumme, zugesprochen. Außerdem hat das LG die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf einen Betrag von 1.196,43 EUR nebst Zinsen gekürzt. Zwar stehe nach dem medizinischen Gutachten fest, dass die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten aus der Unfalltod-Zusatzversicherung gegeben seien; denn ohne den unfallbedingten Krankenha...