Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH. Mehrbedarf. unzumutbare Tätigkeit. Ehescheidung. Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Allein die Pflege und Erziehung eines Kindes unter sieben Jahren rechtfertigt noch nicht die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs im Sinne des 23 Abs. 2 BSHG im Rahmen der Prozeßkostenhilfebewilligung für die Kindesmutter.
2. Ein entsprechender Mehrbedarf ist aber dann anzuerkennen, wenn die ausgeübte Berufstätigkeit der Mutter im Hinblick auf das Alter des Kindes unzumutbar im Sinn des 1577 Abs. 2 BGB ist und daher jederzeit beendet werden könnte.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 2; ZPO § 115; BSHG § 23 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Beschluss vom 07.05.1998; Aktenzeichen 2 F 63/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der ihr Prozeßkostenhilfe bewilligende Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Karlsruhe vom 07.05.1998 (2 F 63/98) dahin abgeändert, daß die Antragstellerin keine Raten auf die Prozeßkosten an die Landeskasse zu zahlen hat.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin mit Beschluß vom 07.05.1998 Prozeßkostenhilfe für das Scheidungsverfahren bewilligt und angeordnet, daß sie ab 10.06.1998 monatliche Raten von 60,00 DM auf die Prozeßkosten an die Landeskasse zu zahlen hat.
Die Antragstellerin, die die beiden am 24.08.1986 und am 07.07.1992 geborenen gemeinsamen Kinder allein betreut und versorgt, erzielt derzeit ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.000,00 DM und erhält – neben dem staatlichen Kindergeld – vom Antrags gegner für die beiden Kinder einen monatlichen Unterhalt von insgesamt 553,00 DM.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ratenzahlungsanordnung im Beschluß vom 07.05.1998. Sie macht geltend, bei ihr seien die Voraussetzungen für ratenfreie Prozeßkostenhilfe gegeben.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluß vom 27.05.1998 nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Die gemäß § 115 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Abzüge der Antragstellerin übersteigen ihre Einkünfte, so daß kein für die Prozeßkosten einzusetzendes Einkommen verbleibt.
1. Insgesamt verfügt die Antragstellerin über Einkünfte (alle Beträge monatlich) von 2.993,00 DM, die sich aus ihrem Bruttoverdienst von 2.000,00 DM, Kindesunterhalt von 553,00 DM und Kindergeld von 440,00 DM zusammensetzen.
2. Hiervon sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1–3 ZPO zunächst folgende Abzüge vorzunehmen:
a) |
Sozialversicherungsbeträge |
421,00 DM |
b) |
Freibeträge gemäß der Bekanntmachung zu § 115 ZPO vom 26.05.98, Bundesgesetzblatt I, 1162 (vgl. FamRZ 1998, 804) |
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b.1. für die Antragstellerin selbst |
663,00 DM |
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b.2. für die beiden Kinder je |
466,00 DM |
c) |
Erwerbstätigenpauschale nach § 76 II a BSHG |
270,00 DM |
d) |
Kosten der Unterkunft und Heizung, zu denen neben der Nettomiete auch die vereinbarten Umlagen für die Betriebskosten zu rechnen sind (Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., Rn. 11 zu § 115; Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., Rn. 13 zu § 115) mit |
613,45 DM |
3. Vom Einkommen der Antragstellern ist noch ein weiterer Betrag abzuziehen, weil dies mit Rücksicht auf eine besondere Belastung angemessen ist (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO). Zu diesen besonderen Belastungen zählen die Mehrbedarfsbeträge, die § 23 BSHG bestimmten Personengruppen zubilligt (Zöller/Philippi, ZPO, 20. Aufl., Rn. 40 a zu § 115; OLG Hamburg, FamRZ 1996, 42 f; Brinkmann, Auswirkungen des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe, JurBüro 1995, 61, 63; vgl. auch Zimmermann, Prozeßkostenhilfe in Familiensachen, Rn. 123). Hierfür sprechen auch nach Auffassung des Senats verfassungsrechtliche Gründe (so OLG Hamburg, a.a.O., m.w.N.). Dieses weist zutreffend daraufhin, daß einer bedürftigen Partei die Prozeßführung nicht unmöglich gemacht werden (Art. 2 GG) und die Belastung mit Prozeßkostenhilferaten nicht dazu führen darf, daß das Existenzminimum der Partei beeinträchtigt wird. Dieses setzt sich aus dem sozialhilferechtlichen Regelbedarf, den Leistungen für Unterkunft und Heizung, dem Mehrbedarf für Erwerbstätige und den Mehrbedarfsbeträgen des § 23 BSHG zusammen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift ist für Personen, die mit einem Kind unter sieben Jahren oder die mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf von 40 v. H. des maßgebenden Eckregelsatzes anzuerkennen, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Vorliegend ist die von der Antragstellerin ausgeübte Berufstätigkeit im Hinblick auf das Alter beider Kinder (6 und 11 Jahre) unzumutbar und könnte daher von ihr jederzeit ohne unterhaltsrechtliche Sanktion aufgegeben werden; im Falle des § 1577 Abs. 2 BGB wäre ihr aus diesem Einkommen ein anrechnungsfreier Betrag zu belassen.
Diese Sachlage eines überobligatorischen Arbeitseinsatzes rechtfertigt im Rahmen der Prozeßkostenhilfe die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 23 Abs. 2 BSHG mit der Folge, zugunsten der Antragstellerin, die für die beiden, bei ihr lebenden,...