Leitsatz (amtlich)
Die Berufung auf die Vorschrift des Art. 522 Abs. 1 der rumänischen Strafprozessordnung stellt bei Vorliegen eines Abwesenheitsurteils keine völkerrechtlich verbindliche Zusage der Gewährung eines neuen Verfahrens dar, vielmehr ergibt sich aus ihr lediglich, dass der Verfolgte einen Antrag auf Wiederaufnahme stellen kann, über dessen Gewährung dann das zuständige Gericht nach seinem Ermessen entscheidet.
Tenor
1. Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts S. vom 27. April 2010 wird für nicht zulässig erklärt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Verfolgten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Eine Entschädigung für die erlittene Auslieferungshaft wird nicht bewilligt.
Gründe
I. Gegen den sich nach vorläufiger Festnahme am 28.07.2010 bis zu seiner Freilassung am 07.12.2010 in Auslieferungshaft befindlichen Verfolgten besteht ein Europäischer Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 27.04.2010, aus welchem sich in Verbindung mit der Ausschreibung des Verfolgten im Schengener Informationssystem (SIS) vom 29.04.2010 ergibt, dass dieser durch rechtskräftiges Strafurteil Nr. 738 des Gerichts in S. vom 31.12.2009 (Datum der Rechtskraft 19.01.2010) wegen schweren Diebstahls nach Art. 208 und 209 des rumänischen Strafgesetzbuches in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wurde, welche noch vollständig zur Verbüßung ansteht. Dem Verfolgten wird im Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts S. vom 27.04.2010 die Begehung folgender Straftat vorgeworfen:
In der Nacht vom 27.06.2008 gegen 22.00 - 23.00 Uhr, zusammen mit zwei Mitbeschuldigten, sind in das Gebiet des Flughafens S. gegangen, mit der Absicht Leitungen aus Kupfer zu entziehen. Da der Bauplatz bewacht ist, haben sie aufgegeben und sind an die Container gegangen, die sich in der Nähe befinden, Container, die der Fa. S. gehören, haben den Schloss mit einer Metallstange, die sie in der Gegend gefunden haben, aufgebrochen und zerbrochen, nachdem sie herein gedrungen, woher sie mehrere Elektrowerkzeuge entzogen haben. Sie haben versucht, noch einen anderen Container zu öffnen und 2 Autos, die auf dem Bauplatz geparkt waren, ohne ihnen zu gelingen. Während sie sich mit den Elektrowerkzeugen nach dem Ausgang fortbewegten, haben die Drei die offenen Fenster von 2 Container entdeckt, wo sich die Büros befanden, haben diese geklettert und sind eingedrungen. Von dort haben sie mehrere Güter entzogen, die der verletzend Seite S. S. gehörten, welche der Angestellten zur Benutzung gegeben wurden, und zwar elektronische Anlagen, 4 Mobiltelefone und 2 Laptops.
Ergänzend ist der Ausschreibung des Verfolgten im Schengener Informationssystem (SIS) vom 29.04.2010 zu entnehmen, dass der vom Verfolgten verursachte Schaden sich auf 6655 Ron (etwa 1700 Euro) belaufen hat.
Der Verfolgte hat einer vereinfachten Auslieferung nicht zugestimmt. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat deshalb am 23.08.2010 beantragt, die Auslieferung im nachgesuchten Umfang für zulässig zu erklären; zugleich hat sie entschieden, dass nicht beabsichtigt sei, Bewilligungshindernisse nach § 83 b IRG geltend zu machen. Der Verfolgte hat über seinen Rechtsbeistand gegen seine Auslieferung verschiedene Einwendungen erhoben, insbesondere hält er diese für unzulässig, weil das Urteil in seiner Abwesenheit ergangen sei und die rumänischen Justizbehörden keine zureichende Garantie abgegeben hätten, dass ihm im Falle seiner Überstellung das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren, in dem der gegen ihn erhobene Vorwurf umfassend überprüft wird, und auf Anwesenheit bei der Gerichtsverhandlung eingeräumt wird.
Mit Beschluss vom 03.09.2010 hat der Senat insoweit festgestellt, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Ergänzung der Auslieferungsunterlagen durch die rumänischen Justizbehörden notwendig ist, worauf diese mit Schreiben des Amtsgerichts S. vom 20.09.2010 das Urteil dieses Gerichts vom 31.12.2009 vorgelegt und folgende ergänzende Erklärung abgegeben haben:
[gelöscht: Tatumschreibung]
Mit Beschluss vom 22.10.2010 hat der Senat hierauf festgestellt, dass eine erneute weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Beziehung weiterer Urteile, welche in das Strafurteil Nr. des Gerichts in S. vom 31.12.2009 mit einbezogen worden sind, notwendig sei. Des weiteren wurde mit Anschreiben vom 28.10.2010 eine am 12.11.2010 eingegangene Stellungnahme von E. sowie mit Verfügung vom 12.11.2010 eine am 07.12.2010 eingegangene Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz vom 06.12.2010 (Az.) eingeholt. Wegen des näheren Inhalts wird auf diese Dokumente verwiesen.
II. Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts S. vom 27.04.2010 ist nicht zulässig.
Zwar liegen zwischenzeitlich die Auslieferungsvoraussetzungen nach § 83 a Abs.1 IRG vor, nachdem das Amtsgericht S. mit Schreiben vom 05.11.2010 sämtliche in das rechtskräftige Strafurteil Nr. vom 31.12.2009 mit einbezog...