Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbindung eines Strafbefehlsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Diebstahl und Hehlerei handelt es sich bei zeitlich und räumlich getrennten Vorfällen um selbständige Taten im prozessualen Sinne.
2. Eine Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen (hier: Messer) erfordert Feststellungen zur Zugriffsmöglichkeit und zur Größe und Beschaffenheit sowie zur inneren Tatseite.
3. Stützt sich eine Verurteilung auf ein Geständnis, müssen die Urteilsgründe dessen inhaltliche Überprüfung erkennen lassen.
4. Die Übernahme und Verbindung eines Strafbefehlsverfahrens kommt nur in Betracht, wenn gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt oder bereits Termin zur Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO anberaumt wurde oder die Staatsanwaltschaft zustimmt (obiter dictum).
Normenkette
StGB §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 1, § 259; StPO §§ 4, 151, 206a, 264 Abs. 1, § 265 Abs. 1, § 408 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Waldshut-Tiengen (Entscheidung vom 12.08.2015; Aktenzeichen 1 Ls 12 Js 865/15) |
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 12. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten verurteilt wurden.
Soweit der Angeklagte M wegen Hehlerei verurteilt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgericht Waldshut-Tiengen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Waldshut-Tiengen verurteilte am 12.08.2015 den Angeklagten M - unter Freispruch im Übrigen - wegen Diebstahls mit Waffen, Hehlerei und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten S wegen Diebstahls, Diebstahls mit Waffen und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.
Gegen dieses Urteil haben beide Angeklagte am 19.08.2015 Rechtsmittel eingelegt, das sie - nach der am 03.09.2015 bzw. 15.09.2015 erfolgten Zustellung des Urteils - am 24.09.2015 bzw. 29.09.2015 durch Schriftsätze ihrer Verteidiger jeweils als Revision bezeichnet und mit der Verletzung materiellen Rechts begründet haben; zudem haben die Verteidiger beider Angeklagter verschiedene Verfahrensrügen erhoben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe trägt auf Verwerfung der Revisionen als unbegründet an.
II.
Die gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Sprungrevisionen der Angeklagten haben auch in der Sache Erfolg.
1. Soweit der Angeklagte M wegen Hehlerei verurteilt wurde, fehlt es an den - auch durch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfenden - Prozessvoraussetzungen der Erhebung einer Klage (§ 151 StPO) sowie eines korrespondierenden Eröffnungsbeschlusses gemäß § 203 StPO (vgl. nur BGH, NStZ 1986, 276). Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen vom 23.04.2015 wurde dem Angeklagten M insoweit zur Last gelegt, zwischen dem 02.01.2015 und dem 05.01.2015 aus einem Pkw ein Navigationsgerät nebst Kabel sowie Bargeld entwendet zu haben. Zur Verurteilung gelangte er, weil er im Januar 2015 von einem nicht näher bekannten litauischen Staatsangehörigen ein Navigationsgerät nebst Kabel erworben habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass dieses Navigationsgerät durch eine rechtswidrige Wegnahme in den Gewahrsam des Litauers gekommen sei. Bei dem zur Anklage gebrachten Sachverhalt einerseits und dem zur Verurteilung gelangten Sachverhalt andererseits handelt es sich danach um zeitlich und räumlich deutlich getrennte und auch im Tatbild verschiedene Vorfälle und damit um selbständige Taten im prozessualen Sinne (vgl. BGH, NStZ 1998, 635 f.; NStZ 1999, 523 f.; OLG Köln, Beschluss vom 30.10.2015, 1 RVs 204/15; OLG Celle, NJW 1998, 1225 f.). Eine Verurteilung wegen Hehlerei durfte daher nicht allein aufgrund eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO erfolgen, sondern hätte der Erhebung einer Nachtragsanklage sowie eines gerichtlichen Einbeziehungsbeschlusses gemäß § 266 Abs. 1 StPO bedurft. Da es hieran fehlt, war das Verfahren insoweit durch den Senat gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen (vgl. BGH, NStZ 1986, 276; OLG Köln, Beschluss vom 30.10.2015, 1 RVs 204/15).
2. Im Übrigen war das amtsgerichtliche Urteil auf die zulässig erhobenen Sachrügen hin aufzuheben, soweit die Angeklagten verurteilt wurden.
a) Soweit beide Angeklagten wegen eines am 25.01.2015 begangenen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt wurden, vermögen die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils dies nicht hinreichend zu tragen. Soweit das Amtsgericht festgestellt hat, dass beide Angeklagten bei der Tat Messer "mit sich führten", hat es der Sache nach lediglich das Tatbestandsmerkmal des "Beisichführens" gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB wiederholt. Der Senat vermag auf dieser Grundlage nicht zu prüfen, ob die Angeklagten bei der Tat die Messer in Griffweite hatten oder sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnten, was Voraussetzung für die...