Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Verwertet der Sachverständige von ihm selbst durch Internet-Recherchen beschaffte Informationen zum Nachteil einer Partei, ohne seine Recherchen und die dabei gewonnenen Informationen im schriftlichen Gutachten offen zu legen, kann dies eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.
2. Ob bei verständiger Würdigung aus der Sicht der Partei eine parteiliche Tendenz des Sachverständigen zu befürchten ist, hängt von einer Gesamtschau sämtlicher Umstände ab. Waren die vom Sachverständigen zunächst nicht offen gelegten Informationen für die Abfassung des Gutachtens eher nebensächlich, kann dies gegen eine Besorgnis der Befangenheit sprechen.
Normenkette
ZPO § 406
Verfahrensgang
LG Konstanz (Beschluss vom 22.10.2014; Aktenzeichen 5 O 135/12 K) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Konstanz vom 22.10.2014 - K 5 O 135/12 - (Zurückweisung der Ablehnung des Sachverständigen L.) wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht im Verfahren vor dem LG Konstanz Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend.
Für die Zeit ab dem 1.10.2011 mietete die Klägerin vom Beklagten in G. für mindestens zwei Jahre Räume zum Betrieb einer Gaststätte. Bereits am 11.11.2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos. Sie macht geltend, ihr sei ein Schaden entstanden, weil sie im Hinblick auf das Mietverhältnis erhebliche Investitionen getätigt habe, die nun nutzlos geworden seien. Die Aufwendungen habe der Beklagte zu ersetzen, da er die Gründe für die Auflösung des Mietverhältnisses zu vertreten habe. Der Beklagte wendet u.a. ein, der Klägerin sei kein Schaden entstanden. Denn die von ihr geltend gemachten erheblichen Investitionen wären - unter Berücksichtigung der vereinbarten Zeitdauer des Mietverhältnisses - auch bei Durchführung des Mietvertrages nicht rentabel gewesen.
Das LG hat die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet zu der Frage, ob es grundsätzlich möglich erscheine, dass die Klägerin ihre Investitionsaufwendungen bei Erfüllung des Mietvertrages wieder erwirtschaftet hätte. Der Sachverständige L. hat ein schriftliches Gutachten erstellt und dieses im Termin des LG vom 2.10.2014 mündlich erläutert. Im Gutachten hat der Sachverständige erläutert, welches Betriebsergebnis die Klägerin bei Durchführung des Mietvertrages benötigt hätte, um die Investitionen zu erwirtschaften. Aus dem benötigten Betriebsergebnis hat der Sachverständige einen kalkulatorischen erforderlichen Umsatz errechnet. Für das Verhältnis zwischen Umsatz und Betriebsergebnis hat der Sachverständige einen Prozentsatz angesetzt, den er im Wege der Schätzung beim Betrieb einer entsprechenden Gaststätte für realistisch gehalten hat. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters hat der Sachverständige im Termin vom 2.10.2014 ergänzt, dass er bei der Schätzung dieses Prozentsatzes Informationen aus einem Zeitungsartikel mit verwertet habe, den er im Internet gefunden habe. Der Gaststättenbetrieb sollte mit Kulturveranstaltungen verbunden werden. Dem Zeitungsartikel habe er entnommen, dass die Klägerin aus früheren Tätigkeiten Kontakte zu Künstlern habe, die bei ihr auftreten sollten. Diesen Gesichtspunkt habe er als einen für die Klägerin voraussichtlich günstigen Umstand bei der Schätzung des möglichen Betriebsergebnisses - im Hinblick auf den angesetzten Prozentsatz von 28 % - mit verwertet. Das schriftliche Gutachten enthält zwar Informationen dazu, dass der Sachverständige den Prozentsatz von 28 % in der Spannbreite von anderweitig üblichen - in Bayern dokumentierten - Prozentsätzen zwischen 24,1 % und 31,3 % festgesetzt hat. Ein Hinweis auf die von ihm berücksichtigte Information aus dem Internet - Kontakte der Klägerin zu Künstlern - ist im schriftlichen Gutachten hingegen nicht enthalten.
Der Beklagte hat daraufhin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Besorgnis ergebe sich daraus, dass der Sachverständige für die Klägerin günstige Informationen in seinem Gutachten berücksichtigt habe, ohne diese Informationen im schriftlichen Gutachten offen zu legen. Das LG hat mit Beschluss vom 22.10.2014 den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Aus den vom Beklagten geltend gemachten Umständen ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine parteiliche Tendenz des Sachverständigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 22.10.2014 verwiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten. Er hält an der Ablehnung des Sachverständigen fest und ergänzt sein Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 4.11.2014 und auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 10.12.2014 verwiesen.
Das LG hat mit Beschluss vom 7.11.2014 der sofortigen Beschwerde nicht abge...