Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Beanstandung der Bestellung des Jugendamts zum Vormund für einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 25.08.2011; Aktenzeichen 44 F 2152/11) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Jugendamtes gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 25.8.2011 (44 F 2152/11) wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Auswahl eines Vormunds für den minderjährigen Flüchtling Y. A., geb. 27.1.1996, aus L.
Der Jugendliche, der zuletzt in T. wohnte, ist aus L. geflüchtet, um dem Krieg im Land zu entkommen. Er reiste am 27.7.2011 über I. in die S. ein. In C. wurde er erkennungsdienstlich behandelt. Am folgenden Tag reiste der Jugendliche mit dem Zug unerlaubt nach Deutschland ein und wurde dort von der Bundespolizei kontrolliert. In der Nacht vom 28. auf den 29.7.2011 wurde der Jugendliche vom Jugendamt in Obhut genommen und bei einer Familie in S. untergebracht.
Die Eltern des Jugendlichen sind unbekannten Aufenthalts. Die Mutter soll nach T. geflohen sein. Ein Kontakt zu den Eltern besteht nicht.
Nach den Angaben der Bundespolizeiinspektion habe der Jugendliche in der S. einen Asylantrag gestellt. Die S. Behörden hätten die Rückübernahme des Jugendlichen abgelehnt und auf die Dublin II-Verordnung verwiesen, wonach das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg zunächst bei der zuständigen Behörde in B. einen förmlichen Rücknahmeantrag stellen müsse.
Der Jugendliche wurde am 23.8.2011 vom Familienrichter angehört. Er gab an, keinen Asylantrag in der S. gestellt zu haben.
Mit Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 25.8.2011 wurde festgestellt, dass die elterliche Sorge für den Jugendlichen ruht, und Vormundschaft angeordnet. Als Vormund wurde das Jugendamt ausgewählt. In Hinblick darauf, dass kein ehrenamtlicher Vormund zur Verfügung stehe, wurde das Jugendamt zum Vormund bestellt. Die Bestellung eines Berufsvormundes erscheine nicht zwingend geboten. Auf die Entscheidung des Familiengerichts wird verwiesen.
Gegen diesen - ihm am 1.9.2011 zugestellten - Beschluss hat das Jugendamt mit am 19.9.2011 beim AG eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Das Jugendamt ist der Auffassung, dass sich die Auswahl des Vormunds allein an den Kindeswohlinteressen auszurichten habe. Fiskalische Interessen seien dabei unbeachtlich. Im Fall eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings müsse im Interesse des Kindes grundsätzlich ein Rechtsanwalt, der in ausländer- und asylrechtlichen Fragen versiert sei, als Berufsvormund bestellt werden. Nur dies entspreche dem Wohl des Kindes, da sich in derartigen Fällen vielfältige Probleme stellen würden, die die spezielle Fachkompetenz eines Rechtsanwalts erforderten - etwa sprachliche Schwierigkeiten, die psychische und physische Verfassung des Kindes aufgrund traumatischer Fluchterlebnisse und der ungeklärten Situation sowie asyl- und ausländerrechtliche Fragen. Vorliegend stamme der Jugendliche aus einem Krisengebiet, befinde sich seit vielen Jahren auf der Flucht, sei bereits inhaftiert gewesen, habe wohl traumatische Ereignisse erlebt und könne sich auch in Deutschland nicht sicher fühlen. Es bestehe für Kinder wie diese deshalb ein gesteigertes Schutzbedürfnis, das zwingend die Bestellung eines Einzelvormundes erforderlich mache, nicht zuletzt, um den minderjährigen Flüchtlingen einen dauerhaften, verlässlichen Ansprechpartner zur Seite zu stellen, zu dem sie Vertrauen aufbauen könnten. Nur so könne die Kontinuität der Führung der Vormundschaft gewährleistet werden, wobei die Bestellung eines Berufsvormunds die größte Kontinuität biete. Umgekehrt werde diese Kontinuität wegen der Verpflichtung des Jugendamtes nach § 56 Abs. 4 SGB VIII, regelmäßig die Bestellung eines Einzelvormundes statt des Amtsvormundes zu prüfen, sowie durch mögliche Wechsel des Vormunds infolge interner Umstrukturierung gefährdet.
Die Entscheidung des Familiengerichts werde im Übrigen auch der UN-Kinderrechtskonvention nicht gerecht, wonach die Vertragsstaaten verpflichtet seien, einerseits Flüchtlingskindern angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zukommen zu lassen, andererseits auch den Vormund bei der Erfüllung seiner Aufgabe zu unterstützen. Im vorliegenden Fall benötige der Jugendliche einen Vormund, der seine Interessen im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens wahrnehme, insbesondere die alternativen Handlungsmöglichkeiten aufzeige. Darüber hinaus sehe die EU-Verfahrensrichtlinie über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zu- und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtung der Vertragsstaaten (RL 2005/85/EG) vor, einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Verwaltungsverfahren einen Vertreter zur Seite zu stellen, der ihn über die möglichen Konsequ...