Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auswahl eines Vormunds (ehrenamtlichen Einzelvormund, Amtsvormund, Berufsvormund) besteht grundsätzlich freies richterliches Ermessen. Ein gesetzlicher Vorrang besteht lediglich zugunsten eines ehrenamtlichen Einzelvormundes gegenüber dem Amtsvormund. Die Auswahlentscheidung zwischen Berufsvormund einerseits und Amtsvormund andererseits steht hingegen in keinem gesetzlich angeordneten Subsidiaritätsverhältnis.
2. Bei der Ermessensentscheidung des Gerichts hinsichtlich der Auswahl des Vormunds ist im Rahmen der Abwägung auch das gesetzgeberische Ziel des "Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher" vom 28.10.2015 (Bundesgesetzblatt I 2015, 1802, 1805) zu berücksichtigen. Danach soll möglichst ein Auseinanderfallen der Zuständigkeit zwischen Kostenträger einerseits und Wahrnehmung der Amtsvormundschaften andererseits vermieden werden.
Verfahrensgang
AG Schleswig (Beschluss vom 19.02.2016) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Landkreises G. (Fachbereich Jugend) vom 29.2.2016 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Schleswig vom 19.2.2016 wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.2.2016 hat das AG - Familiengericht für den unbegleiteten minderjährigen Ausländer Z. (geb. am...03.2000 in K./Afghanistan) das Jugendamt des Landkreises G. in Niedersachen zum Amtsvormund bestellt. Bei dem Jugendlichen handelt es sich um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling, dessen Eltern M. und F. weiterhin in Afghanistan/K. (Bezirk T.) leben. Der Jugendliche hat derzeit keinen Kontakt zu seinen Eltern. Nur seine Cousine (Tochter eines Onkels väterlicherseits) M. lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Das Land Niedersachsen hat den Jugendlichen nach Durchführung des Clearingverfahrens dem Jugendamt G. zugewiesen. Dieses hat ihn im Wege der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII in der S-Einrichtung in Sa./Schleswig-Holstein untergebracht.
Mit der Beschwerde vom 29.2.2016 macht das Jugendamt G. geltend, dass die Berufsbetreuerin S., die sich bereits zur Übernahme der Vormundschaft bereit erklärt hatte, zur Vormündin zu bestellen sei. Frau S. sei schon allein auf Grund ihrer Nähe zum Jugendlichen (Frau S. gehört zum Betreuungsverein Sö.) besser als Vormund geeignet als das Jugendamt des Landkreises G., das über 300 km weit entfernt läge.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14.3.2016 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Beschwerde nach § 68 Abs. 3 FamFG zurückzuweisen.
Der Landkreis G. hat mit Schreiben vom 1.4.2016 lediglich um nähere Erläuterung der Formulierung "...Gewährleistung einer vernünftigen Wahrnehmung von Vormundschaftsaufgaben..." gebeten.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Jugendamtes G. ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 68 Abs. 3 FamFG liegen vor, weil die Beteiligten bereits im ersten Rechtszug angehört worden sind und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
Der Senat hat die Beteiligten bereits mit Beschluss vom 14.3.2016 auf Folgendes hingewiesen:
Die Auswahl des Vormunds durch das zuständige Familiengericht S. ist nicht zu beanstanden.
Gemäß § 1779 hat das Familiengericht nach Anhörung des Jugendamtes den Vormund auszuwählen. Nach der gesetzlichen Regelung besteht ein Vorrang nur für den ehrenamtlichen Einzelvormund, weil sowohl die Bestellung eines Vereinsvormunds als auch eines Amtsvormunds unter dem Vorbehalt stehen, dass "eine als ehrenamtliche Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden ist" (§§ 1779, 1791a Abs. 1 S. 2, 1791b Abs. 1 S. 1 BGB). Ein geeigneter ehrenamtlicher Einzelvormund ist nicht vorhanden. Die einzige Verwandte des Jugendlichen, die Cousine M., lebt in Hamburg und kommt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als ehrenamtliche Einzelvormündin nicht in Betracht.
Die Regelung in § 1791b Abs. 1 BGB geht lediglich von dem Vorrang eines ehrenamtlichen Einzelvormundes gegenüber dem Amtsvormund aus (OLG Schleswig, Beschluss vom 20.8.2015, 10 UF 31/15). Im Übrigen ist die Auswahlentscheidung des Familiengerichts gemäß §§ 1779, 1791b BGB grundsätzlich eine richterliche Ermessensentscheidung (OLG Schleswig, Beschluss vom 18.2.2016, 14 UF 12/16). Ein gesetzlicher Vorrang des Berufsvormundes gegenüber dem Amtsvormund ist aus den Reglungen der §§ 1779b Abs. 1, 1836 Abs. 1 S. 2 BGB nicht abzuleiten (a.A. wohl OLG Schleswig, Beschluss vom 4.11.2015, 15 UF 107/15). Die Auswahlentscheidung zwischen Berufsvormund einerseits und Amtsvormund andererseits steht in keinem gesetzlich angeordneten Subsidiaritätsverhältnis. Das Familiengericht hat vielmehr bei der Auswahl freies richterliches Ermessen und trifft diese Auswahl allein aus sachlichen Gründen.
Bei der Ermessensentscheidung des G...