Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Bestellung mehrerer Pflichtverteidiger
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beiordnung mehrerer Pflichtverteidiger ist ausnahmsweise dann gefordert, wenn entweder aufgrund der außergewöhnlichen Schwierigkeit bzw. des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrensstoffes oder der außergewöhnlichen Dauer der Hauptverhandlung dafür ein unabweisbares Bedürfnis besteht, um eine ausreichende Verteidigung zu gewährleisten.
2. Dabei kommt unter dem Gesichtspunkt des Umfangs und der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Bestellung eines zweiten Verteidigers insbesondere dann in Betracht, wenn der Verfahrensstoff nur durch ein arbeitsteiliges Vorgehen zweier Verteidiger ausreichend beherrscht werden kann.
3. Im Hinblick auf die erwartete Dauer der Hauptverhandlung ist dagegen zu fragen, ob bei einer unvorhergesehenen Verhinderung des schon bestellten Pflichtverteidigers eine sachgerechte Verteidigung nicht durch andere gesetzliche Reaktionsweisen (etwa Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers nach Eintritt einer möglichen Verhinderung), sondern nur durch die Vertretung durch einen bereits in das Verfahren eingearbeiteten und kontinuierlich in der Hauptverhandlung anwesend gewesenen Verteidiger sichergestellt werden kann.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 25.03.2009; Aktenzeichen 3 Ks 21 Js 1896/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird die Verfügung der Vorsitzenden der 3. Strafkammer - Schwurgerichtskammer - des Landgerichts F. vom 25. März 2009 aufgehoben.
Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt D. H., F., als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Mit der am 8.4.2009 beim Landgericht F. eingekommenen Beschwerde wendet sich der Angeklagte gegen die Verfügung des Vorsitzenden der 3. Großen Strafkammer als Schwurgerichtskammer vom 25.3.2009, mit der der am 16.3.2009 gestellte Antrag auf Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers zurückgewiesen wurde.
Der zulässigen (etwa OLG Hamm StV 1995, 64; OLG Stuttgart NStZ-RR 1998, 110; OLG Hamburg Strafo 2000, 383; OLG Schleswig SchlHA 2001, 137) Beschwerde kann der Erfolg nicht versagt werden.
Die Beiordnung mehrerer Pflichtverteidiger ist ausnahmsweise dann gefordert, wenn entweder aufgrund der außergewöhnlichen Schwierigkeit bzw. des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrensstoffes oder der außergewöhnlichen Dauer der Hauptverhandlung dafür ein unabweisbares Bedürfnis besteht, um eine ausreichende Verteidigung zu gewährleisten (OLG Celle BRAK-Mitt 1988, 284; OLG Hamm StV 1989, 242; OLG Frankfurt StV 1991, 9; OLG Karlsruhe, wistra 1993, 279; OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 203; Strafo 2000, 383; OLG Schleswig 11.4.1983 bei JURIS; SchlHA 2001, 137; OLG Rostock Strafo 2002, 230; OLG Brandenburg 20.2.2006 bei JURIS; KK-Laufhütte zu § 141 Rn 9). Dabei kommt unter dem Gesichtspunkt des Umfangs und der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Bestellung eines zweiten Verteidigers insbesondere dann in Betracht, wenn der Verfahrensstoff nur durch ein arbeitsteiliges Vorgehen zweier Verteidiger ausreichend beherrscht werden kann (OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 203; Strafo 2000, 383; OLG Brandenburg 20.2.2006 bei JURIS). Im Hinblick auf die erwartete Dauer der Hauptverhandlung ist dagegen zu fragen, ob bei einer unvorhergesehenen Verhinderung des schon bestellten Pflichtverteidigers eine sachgerechte Verteidigung nicht durch andere gesetzliche Reaktionsweisen (etwa Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers nach Eintritt einer möglichen Verhinderung), sondern nur durch die Vertretung durch einen bereits in das Verfahren eingearbeiteten und kontinuierlich in der Hauptverhandlung anwesend gewesenen Verteidiger sichergestellt werden kann (OLG Celle BRAK-Mitt 1988, 284; OLG Karlsruhe, wistra 1993, 279; OLG Hamburg NStZ-RR 1997, 203; OLG Brandenburg 20.2.2006 bei JURIS).
Beide Erwägungen verlangen vorliegend die Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers. Die Sachlage ist als besonders schwierig anzusehen, so dass eine wirksame Verteidigung, deren Sicherung im Hinblick auf die bald vierjährige Untersuchungshaft des Angeklagten großes Gewicht zukommt, nur durch ein arbeitsteiliges Vorgehen beider Verteidiger möglich erscheint. Nachdem in der Vergangenheit zwei Urteile - Urteil des Landgerichts W. vom 10.5.2006 und Urteil des Landgerichts F. vom 14.2.2008 -, mit denen der Angeklagte jeweils der Tötung seiner Ehefrau und seiner Tochter im Mai 2002 für schuldig befunden wurde, u.a. aufgrund erfolgreicher Verfahrensrügen und nicht allein zugunsten des Angeklagten vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurden, hat nunmehr - nachdem bereits in der Vergangenheit an insgesamt 36 Tagen verhandelt wurde - die dritte Hauptverhandlung gegen den Angeklagten begonnen, in der - neben neu hinzugekommenen - zahlreiche, meist bereits polizeilich gehörte Zeugen zum dritten Mal gerichtlich und teilweise über mehr als si...