Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines Einlassens in eine Verhandlung gemäß § 43 ZPO.
2. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung, bis zu dem spätestens ein bekannter Ablehnungsgrund geltend zu machen ist bei Anberaumung eines Fortsetzungstermins.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Überlingen vom 29.11.2022 (2 F 112/22) wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 73.067 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verwerfung eines Antrags auf Ablehnung des erstinstanzlichen Richters wegen Besorgnis der Befangenheit.
Die Antragstellerin verlangt von dem Antragsgegner laufenden und rückständigen Trennungsunterhalt.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 19.07.2022 wurde der ursprünglich auf den 28.07.2022 anberaumte Verhandlungstermin auf den 29.09.2022 verlegt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 29.09.2022 führte der abgelehnte Richter zunächst in den Sach- und Streitstand ein. Anschließend wies er darauf hin, dass der Zugang zur elektronischen Akte gestört sei und er deshalb aktuell nicht auf den Akteninhalt zugreifen könne und ihm lediglich die Aufzeichnungen vorlägen, die in einer Worddatei erstellt worden seien. Nachfolgend enthält das Sitzungsprotokoll gerichtliche Hinweise zur Beweislast sowie zum Erwerbseinkommen, zu Mieteinkünften und zu Kapitaleinkünften des Antragsgegners, wobei bestimmte Beträge von der Antragsgegnervertreterin jeweils zugestanden wurden. Hinsichtlich der Antragstellerin enthält das Sitzungsprotokoll Angaben zu ihren Renteneinkünften sowie zum Wohnwert, der für das erstinstanzliche Gericht in nicht nachvollziehbarer Weise nach unten korrigiert worden sei. Letztlich wird die behauptete Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin thematisiert und eine Beweiserhebung hierzu angekündigt, falls ein Beweismittel angeboten wird.
Abschließend erging ein gerichtlicher Beschluss, durch welchen ein Fortsetzungstermin auf den 15.12.2022 festgelegt und verkündet wurde.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 17.10.2022 lehnte die Antragstellerin den erstinstanzlichen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie bereits zu Anfang der Verhandlung ein ärztliches Attest habe überreichen wollen, welches Angaben zu ihren Erkrankungen und gesundheitlichen Störungen sowie zu ihrer Verhandlungsfähigkeit enthalte. Der Richter habe sich geweigert, dieses Attest in Papierform entgegenzunehmen, sondern auf eine elektronische Einreichung bestanden. Die erheblichen psychischen Erkrankungen der Antragstellerin habe der abgelehnte Richter als "Psychokram" abgetan. Wegen des fehlenden Zugriffs auf die elektronische Akte habe er auf nicht nachvollziehbarer Grundlage Zahlen in den Raum geschmissen. Ihre Verfahrensbevollmächtigte habe der abgelehnte Richter als inkompetent hingestellt, die fachlich nicht in der Lage sei, einen ordnungsgemäßen Antrag zu stellen. Die gesamte Verhandlung sei von einer aggressiven Grundstimmung seitens des Gerichts, vor allem gegen die Antragstellerin und ihre Verfahrensbevollmächtigte geprägt gewesen. Immer wieder habe der abgelehnte Richter auf ihre Beweislast hingewiesen. Das Vorbringen des Antragsgegners, sie könne zumindest 525 EUR zur Erwerbsminderungsrente hinzuverdienen, sei bestritten und Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten worden. Die Reaktion des abgelehnten Richters hierzu sei eine "Drohgebärde" gewesen, wobei er betont habe er wisse schon, wohin er sie zur Frage der Erwerbsfähigkeit schicken werde und die Antragstellerin müsse mit einem entsprechend hohen Kostenvorschuss und einer Verzögerung des Verfahrens um Monate rechnen. Anschließend habe er ohne weitere Nachfrage und die Möglichkeit, etwas zu äußern, die Verhandlung geschlossen und einen neuen Termin bestimmt. Wegen der Voreingenommenheit des abgelehnten Richters sei eine unabhängige Entscheidung nicht mehr möglich.
Der abgelehnte Richter gab am 21.10.2022 eine dienstliche Stellungnahme ab, auf welche verwiesen wird. Hierzu nahmen die Beteiligten Stellung, wobei die Antragstellerin ihr Vorbringen aus dem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 17.10.2022 wiederholte und vertiefte und der Antragsgegner darauf hinwies, dass ein Ablehnungsrecht der Antragstellerin gemäß § 43 ZPO nicht mehr bestehe.
Durch Beschluss vom 29.11.2022, der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 14.12.2022, wurde der Antrag der Antragstellerin auf Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit als unzulässig verworfen. Zur Begründung führt das Amtsgericht Überlingen aus, dass die Antragstellerin ihr Ablehnungsrecht gemäß § 43 ZPO verloren habe, da sie sich in eine Verhandlung eingelassen habe und das Ablehnungsgesuch daher spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hätte gestellt werden müssen. Ausweislich des Terminsprotokolls habe die Ant...