Leitsatz (amtlich)
1. Der Haftbefehl hat aufgrund seiner Informations- und Umgrenzungsfunktion den Tatvorwurf so genau darzustellen, dass der Beschuldigte dessen Umfang und Tragweite eindeutig erkennen kann. Die Anforderungen an die Konkretisierung des Sachverhaltes steigen mit fortschreitender Dauer des Bestehens des - wenn auch nicht vollzogenen - Haftbefehls.
2. Das Beschwerdegericht kann die Ersetzung eines den inhaltlichen Anforderungen des § 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht genügenden Haftbefehls durch einen ordnungsgemäßen Haftbefehl jedenfalls dann dem nach §§ 125, 126 StPO zuständigen Gericht überlassen, wenn der (rechtsfehlerhafte) Haftbefehl nicht vollzogen wird.
3. Wird dem Beschuldigten die Vornahme von Betrugstaten im Rahmen eines professionellen Betrugssystem vorgeworfen, besteht der Haftgrund der Wiederholungsgefahr jedenfalls dann nicht mehr, wenn die Geschäftsräume des Beschuldigten geschlossen sind, dem Beschuldigten die Ausübung seiner Geschäftstätigkeit untersagt worden ist und zur Fortsetzung der Betrugsstraftaten erhebliche sachliche und personelle Mittel erforderlich sind, die dem Beschuldigten nicht mehr zur Verfügung stehen.
4. Die Anordnung eines vorläufigen Berufsverbotes nach § 132 a Abs. 1 StPO ist nur unter strikter Beobachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter statthaft.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 22 Qs 1/01) |
AG Mannheim (Aktenzeichen 41 Gs 2464/00) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 17. Januar 2001 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Gegen den Beschuldigten K führt die Staatsanwaltschaft Mannheim ein Ermittlungsverfahren (616 Js 595/00) wegen Verdachts des Bankrotts, des Betruges und Vergehen nach §§ 64, 84 GmbHG. Am 11. 12. 2000 erließ das Amtsgericht - Haftrichter - Mannheim gegen den Beschuldigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft ausschließlich auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gestützten Haftbefehl (41 Gs 2464/00), aufgrund dessen der Beschuldigte am 14. 12. 2000 ergriffen wurde. Der Haftbefehl wurde dem Beschuldigten am 15. 12. 2000 eröffnet. Mit Beschluss vom selben Tage setzte das Amtsgericht - Haftrichter - Mannheim (41 Gs 2712/00) den Haftbefehl außer Vollzug und wies den Beschuldigten an, sich sämtlicher Aktivitäten in Bezug auf Veranstaltung von Konzerten zu enthalten, umgehend Hinweise über die Abmeldung der Einzelfirma und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Staatsanwaltschaft vorzulegen, sowie sich wöchentlich einmal bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeirevier zu melden. Mit am 29. 12. 2000 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben vom 23. 12. 2000 legte der Beschuldigte sowohl gegen den Haftbefehl vom 11. 12. 2000, als auch gegen den Beschluss vom 15. 12. 2000 mit dem Antrag Beschwerde ein, den Haftbefehl vom 11. 12. 2000 aufzuheben. Auf die Beschwerde des Beschuldigten, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hatte, hob das Landgericht Mannheim mit Beschluss vom 17. 01. 2001 den Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 11. 12. 2000 auf. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 31. 01. 2001, der das Landgericht mit begründetem Beschluss vom 01. 02. 2001 nicht abgeholfen hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt unter dem 13. 02. 2001, auf die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 17. 01. 2001 aufzuheben und die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 11. 12. 2000 mit der Maßgabe zu verwerfen, dass dieser Haftbefehl unter den folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt wird:
"1. Der Beschuldigte hat sich sämtlicher geschäftlicher Aktivitäten im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Konzerten zu enthalten.
2. Der Beschuldigte hat umgehend einen Nachweis über die Abmeldung der Einzelfirma bei der Staatsanwaltschaft Mannheim vorzulegen. "
II.
Der Senat behandelt die weitere Beschwerde der Staatsanwaltschaft als zulässig (§ 310 Abs. 1 StPO). Die Verhaftung i. S. d. § 310 Abs. 1 StPO betreffen zwar nur bzw. alle Beschlüsse, die unmittelbar zum Gegenstand haben, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist (BGHSt 25, 120, 121 = MDR 1973, 420; 26, 270, 271; 29, 200, 201, 202; 36, 396, 398). Dieses Ziel verfolgt das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht, sondern lediglich die Wiederherstellung des außer Vollzug gesetzten Haftbefehls des Amtsgerichts Mannheim mit der Modifizierung des Beschlusses über die Außervollzugsetzung des Haftbefehls dahin, dass der Nachweis der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sowie die Meldeauflage entfallen. Ob sich das Unmittelbarkeitserfordernis auf den Bestand des Haftbefehls oder (enger) auf den Eingriff in die Freiheit bezieht, ist indes strittig (vgl. nur LR-Gollwitzer StPO 24. Aufl. § 310 ...