Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkungen ausländischer Rechtshängigkeit in Sorgerechtsverfahren
Normenkette
FamFG § 76; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Donaueschingen (Beschluss vom 31.01.2011; Aktenzeichen 1 F 129/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der die Verfahrenskostenhilfe versagende Beschluss des AG - Familiengericht - Donaueschingen vom 31.1.2011 (1 F 129/10) abgeändert und der Antragstellerin für ihre Rechtsverfolgung im Sorgerechtsverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt W., F., beigeordnet.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat für ihre Rechtsverfolgung in einem Sorgerechtsverfahren betreffend das Kind V. M. C. (geboren am ... 2007) um Verfahrenskostenhilfe nachgesucht. Das Familiengericht Donaueschingen hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 31.1.2011 das Gesuch um Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, dass in derselben Sorgerechtssache nach dem Vortrag der Antragstellerin bereits ein Verfahren vor einem italienischen Gericht anhängig sei und deshalb eine "anderweitige Rechtshängigkeit" vorliege. Damit bestehe ein Verfahrenshindernis. Gemäß Art. 19 Abs. 2 der EuEheVO Nr. 2201/2003 müsse das Verfahren deshalb ausgesetzt werden, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen italienischen Gerichts geklärt sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin im Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 16.2.2011. Das Verfahren in Italien betreffe offensichtlich nicht das Sorgerecht, sondern vorwiegend das Umgangs- und Unterhaltsrecht. Bezug genommen wird dabei auf eine Vereinbarung der Eheleute, die die Antragstellerin dem Gericht in Übersetzung vorgelegt hat.
Das Familiengericht Donaueschingen hat sodann mit Beschluss vom 8.4.2011 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt. Aus der von der Antragstellerin erwähnten Vereinbarung ergebe sich aus Ziff. 2, dass das Verfahren in Italien auch das Sorgerecht betreffe.
II. Die statthafte und auch form- und fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Familiengerichts Donaueschingen vom 31.1.2011 ist zulässig und in der Sache auch begründet. Sie führt zur Bewilligung von ratenfreier Verfahrenskostenhilfe für die Antragstellerin unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten.
Der Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen für ihre Rechtsverfolgung im Sorgerechtsverfahren vor dem Familiengericht Donaueschingen ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ungeachtet eines möglicherweise anhängigen Sorgerechtsverfahrens in Italien. Grundsätzlich gilt, dass eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO) in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) beherrschten Sorgerechtsverfahren bereits dann gegeben ist, wenn das Familiengericht auf Grund des eingeleiteten Verfahrens den Sachverhalt zu ermitteln hat und ggf. eine Regelung treffen muss und sich nicht darauf beschränken kann, den Antrag ohne weiteres, also ohne jede Ermittlung und ohne jede Anhörung der Beteiligten, zurückzuweisen (OLG Nürnberg FamRZ 2002, 109). So ist es auch vorliegend im Hinblick auf die mögliche anderweitige ausländische Rechtshängigkeit des italienischen Verfahrens betreffend die Regelung der elterlichen Verantwortung für V. M. Denn die Wirkungen einer ausländischen Rechtshängigkeit besteht nach Art. 19 Abs. 2 EuEheVO - anders als im deutschen Zivilprozessrecht (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) - nicht darin, dass das später angerufene Gericht den gestellten Antrag sofort abzuweisen hat. Das Verfahren ist in Art. 19 EuEheVO vielmehr in anderer Weise geregelt. Diese Bestimmung schreibt nämlich als Rechtsfolge der früheren Anhängigkeit eines Verfahrens der elterlichen Verantwortung für ein minderjähriges Kind bei dem Gericht eines anderen Mitgliedstaates eine abgestufte Verfahrensweise vor (dazu Schwab/Streicher, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Aufl., Teil I, Rz. 1163; Andrae, Internationales Familienrecht, 2. Aufl., Kapitel 2, Rz. 84): Das später angerufene Gericht hat zunächst das Verfahren auszusetzen, bis die Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichtes geklärt ist. Die weiteren Maßnahmen des später angerufenen Gerichtes hängen dann von der Vorgehensweise des erstangerufenen Gerichtes ab. Erklärt sich das erstangerufene Gericht (vorliegend also das italienische) rechtskräftig und abschließend für zuständig, hat sich das später angerufene Gericht (vorliegend also das Familiengericht Donaueschingen) von Amts wegen für unzuständig zu erklären (Art. 19 Abs. 3 EuEheVO). Erklärt sich das erstangerufene Gericht dagegen für unzuständig, kann das später angerufene Gericht das zunächst nur ausgesetzte Verfahren fortsetzen. Wenn das erstangerufene Gericht zunächst keine Entscheidung über seine Zuständigkeit trifft, bleibt...