Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung. Berufungsbegründung. Ehescheidung
Leitsatz (amtlich)
Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den Absender zumindest bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von der Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren, daß alle zu sendenden Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen werden. Denn nur dann kann darauf vertraut werden, daß die Sendung vollständig erfolgt und beim Empfänger ankommt. Ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist schuldhaft im Sinne des 233 ZPO.
Normenkette
ZPO §§ 233, 519b
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 21.03.1997; Aktenzeichen 2 F 273/96) |
Tenor
1. Der Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht Karlsruhe vom 21.03.1997 (2 F 273/96) wird als unzulässig auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Tatbestand
I.
Der Antragsgegner hat gegen das oben genannte Scheidungsurteil mit am gleichen Tag beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufungsschriftsatz vom 09.05.1997 Berufung eingelegt und um Verlängerung der am 09.06.1997 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist um einen Monat gebeten. Antragsgemäß hat der Senat die Frist zur Begründung der Berufung bis 11.07.1997 verlängert. Mit Fax vom 11.07.1997 ist an diesem Tage um 14.06 Uhr eine Schriftsatzseite des Antragsgegnersvertreters bei der Geschäftsstelle des Senats eingegangen. Diese Seite enthält die Berufungsanträge sowie als Begründung den Satz, das Familiengericht Karlsruhe habe in rechtsfehlerhafter Art und Weise dem Scheidungsbegehren der Antragstellerin stattgegeben und sich hierbei auf Art. 134 Türk ZGB berufen. Eine weitere Begründung enthält die Schriftsatzseite nicht. Sie ist im übrigen nicht unterzeichnet. Am 14.07.1997 ist beim Oberlandesgericht eine vierseitige, unterzeichnete und bezüglich Seite 1 mit dem Telefax vom 11.07.1997 identische Berufungsbegründungsschrift eingegangen. Nach richterlichem Hinweis auf die Fristversäumung hat der Antragsgegner mit am 24.07.1997 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten.
Entscheidungsgründe
II.
a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war zurückzuweisen, da der Antragsgegner nicht schuldlos daran gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Das dem Antragsgegner zuzurechnende Verschulden seines Anwaltes bei der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist liegt darin, daß Rechtsanwalt … versehentlich nur die erste Seite seines Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 11.07.1997 dem Senat per Fax übersandt hat, wobei er hätte erkennen können und müssen, daß damit nur eine unvollständige Übersendung erfolgte, die weder den Aussteller mittels Unterzeichnung erkennen ließ noch die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthielt (§ 519 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 i.V.m. §§ 129,130 Ziff. 6 ZPO).
Da somit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist kein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechender Schriftsatz bei Gericht eingegangen ist, könnte dem Antragsgegner wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nur dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden, wenn er unverschuldet durch besondere Umstände daran gehindert gewesen wäre, seine Berufungsbegründung rechtzeitig einzureichen. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Absender eines innerhalb einer bestimmten Frist einzureichenden Schriftsatzes dafür zu sorgen, daß das Schriftstück nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Bundespost bei dem üblichen Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht (BGH, NJW 1988, 3020). Diese für die Briefpost entwickelten Grundsätze gelten für die Übermittlung durch Telefax entsprechend (BGH, NJW 1994, 2097, 2098). Nachdem Rechtsanwalt … in seinem Wiedereinsetzungsgesuch ausdrücklich bestätigt hat, daß sein Sendegerät weder vor der Sendung am 11.07.1997 um 14.04 Uhr noch nachher noch bis zum heutigen Tage irgendwelche Störungen gezeigt hat, solche aber ebensowenig bisher beim Empfangsgerät des Senats in der Geschäftsstelle in der Jahnstraße 3 aufgetreten sind, muß der Übersendungsmangel (Übersendung nur einer Seite statt von insgesamt vier Seiten) an einer fehlerhaften Handhabung durch Rechtsanwalt … liegen. Rechtsanwalt: hätte bei der Sendung seines mehrere Seiten umfassenden Schriftstückes darauf achten müssen, daß am Sendegerät alle Seiten ordnungsgemäß eingelesen werden. Mit Fehlern beim Einzug der zu sendenden Dokumente muß der Absender rechnen. Sie sind auch einfach zu erkennen. Es liegt auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung, daß mehrere aufeinanderfolgende Seiten gleichzeitig eingezogen werden, so daß nur eine Seite gelesen und damit gesendet wird. Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet den Absender zumindest bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von...