Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine hinreichenden Kontrollen, um sicherzustellen, dass im Rahmen des Telefaxversands die die anwaltlichen Unterschrift ausweisende Seite übermittelt wurde
Leitsatz (amtlich)
Dem Prozessbevollmächtigten ist eine fehlerhafte Handhabung der Faxversendung anzulasten, wenn bei einer mehrere Seiten umfassenden Telefaxversendung nicht darauf geachtet wird, dass am Faxgerät alle Seiten ordnungsgemäß eingelesen werden. Mit - einfach zu erkennenden - Fehlern beim Einzug der zu sendenden Dokumente muss der Absender rechnen. Es liegt auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass mehrere aufeinander folgende Seiten gleichzeitig eingezogen sowie deshalb nicht vollständig gelesen und damit gesendet werden. Die Stapelzuführung bei Telefaxgeräten entbindet auf Grund der jedem Anwender bekannten Fehlermöglichkeiten den Absender jedenfalls bei fristgebundenen Schriftsätzen nicht von der Pflicht, das Sendegerät darauf zu kontrollieren, dass alle zu sendenden Seiten nacheinander ordnungsgemäß eingezogen werden. Denn nur dann kann darauf vertraut werden, dass die Sendung vollständig erfolgt und beim Empfänger ankommt.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen 18 O 426/10) |
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin vom 29.6.2011 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.5.2011 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Bonn - 18 O 426/10 - wird als unzulässig verworfen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für neun elektronische Geräte, die sie in den Jahren 2005 und 2006 an die Einzelunternehmung B, Inhaberin N C., auf Grund von - nachfolgend durch Rücktritt beendeten - Kaufverträgen ausgeliefert haben will und in welche die Beklagte durch Übernahme des Geschäftsbetriebs der Käuferin eingetreten sein soll.
Das LG Bonn hat die Klage mit am 5.5.2011 verkündetem und den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13.5.2011 zugestelltem Urteil abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.6.2011 Berufung eingelegt. Von der Berufungsschrift ist bei der vorab erfolgten Telefaxversendung am 14.6.2011 (Dienstag nach Pfingsten) nur die erste Seite, nicht aber die von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin Q unterzeichnete zweite Seite beim OLG eingegangen. Der vollständige Schriftsatz vom 14.6.2011 ist auf dem Postweg erst am 17.6.2011 beim OLG eingetroffen.
Die Klägerin hat daraufhin mit am 29.6.2011 beim OLG eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom selben Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt.
Zur Begründung führt sie an, Herr Rechtsanwalt H, der für seine Kollegin Q den Faxversand der Berufungsschrift übernommen habe, habe beschlossen, neben dem zweiseitigen Schriftsatz vom 14.6.2011 eine Abschrift des angefochtenen, aus drei doppelseitig bedruckten Seiten bestehenden Urteils vorab zu versenden. Dabei habe er die Ausfertigung des angefochtenen Urteils allerdings nicht mehr vollständig durchkopiert, sondern die einzelnen Seiten so, wie sie ihm gerade vorgelegen hätten, als Anlage zur Berufungsschrift auf den Einzug des Faxgeräts gelegt. Das nach dem Telefaxversand von Herrn Rechtsanwalt H kontrollierte Sendeprotokoll habe die Übermittlung von fünf Seiten mit einem "OK"-Vermerk ausgewiesen, ohne dass eine Fehlermeldung - wie sonst bei Störungen - durch akustische und optische Signale des Faxgeräts oder einen entsprechenden Ausdruck auf dem Sendeprotokoll erfolgt sei. Versandt worden seien demnach die beiden Seiten der Berufungsschrift und die drei Vorderseiten der landgerichtlichen Urteilausfertigung. Am 16.6.2011 seien ihre - der Klägerin - Prozessbevollmächtigten sodann von der Geschäftsstelle des OLG telefonisch darauf hingewiesen worden, dass lediglich die erste Seite der Berufungsschrift vorliege. Warum die zweite Seite des Schriftsatzes vom 14.6.2011 nicht beim OLG eingegangen oder zur Gerichtsakte gelangt sei, sei nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt, ihr wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Berufung zurückzuweisen.
Sie entgegnet, die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten an Hand des Sendeprotokolls nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass die Berufungsschrift vollständig gefaxt worden sei, da die danach gefaxten fünf Seiten auch - wie geschehen - vier Seiten der Urteilsabschrift hätten umfassen können. Angesichts der Zusammensetzung der Faxsendung aus mehreren Dokumenten hätte der Sendevorgang beobachtet werden müssen.
II. Die Berufung der Klägerin ist unzulässig. Sie hat innerhalb der am 14.6.2011 ablaufenden Berufungsfrist (§ 519 Abs. 1 ZPO) ein Rechtsmittel nicht ordnungsgemäß eingelegt. Die bis zum Fristablauf eingegangene erste Seite der Ber...