Leitsatz (amtlich)

Eine außerordentliche Beschwerde gegen Berufungsurteile ist auch bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten nicht statthaft.

 

Normenkette

ZPO §§ 321a, 543, 567

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 18.07.2003; Aktenzeichen 11 S 177/02)

AG Singen (Aktenzeichen 9 C 25/02)

 

Tenor

I. Der Beklagte wendet sich mit seinem als „sofortige außerordentliche Beschwerde” bezeichneten Rechtsmittel gegen das Urteil des LG. Das AG. hat den Beklagten zur Zahlung von Restwerklohn verurteilt. Die hiergegen vom Beklagte eingelegte Berufung hat das LG durch Urteil vom 18.7.2003 zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der außerordentlichen Beschwerde, zu deren Begründung er unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im wesentlichen vorträgt, das LG habe verfahrensfehlerhaft seinen Vortrag nicht berücksichtigt und den von ihm angebotenen Beweis dafür, dass eine Abnahme des Werkes nicht stattgefunden habe, zurückgewiesen und ihn gesetzeswidrig zur Zahlung eines restlichen Werklohns verurteilt.

II. Die Beschwerde ist nicht statthaft.

 

Gründe

Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet die Beschwerde gegen Entscheidungen des LG statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder es sich um eine eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Hier wendet sich der Beklagte gegen ein Berufungsurteil, das nur unter den Voraussetzungen nach § 543 ZPO mit der Revision angegriffen werden kann.

Die Beschwerde ist auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” statthaft. Vorliegend entfällt die Rechtsschutzgarantie zwar nicht allein deshalb, weil der Beklagte schon in der vorangegangenen Instanz die Möglichkeit gehabt hatte, sich zur Sache zu äußern. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch greift vielmehr in jeder gerichtlichen Instanz, also auch bei erstmaliger Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Berufungsinstanz. Das Beschwerdegericht kann aber nur in den gesetzlich geregelten Fällen angerufen werden. Eine außerordentliche Beschwerde ist nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz auch dann nicht mehr statthaft, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht verletzt oder aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig ist. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Rechtsbeschwerde zum BGH (BGH v. 23.7.2003 – XII ZB 91/03, NJW 2003, 3137 [3138]; BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = NJW, 2002, 1577), sondern auch für die Beschwerde gegen Entscheidungen des LG (OLG Frankfurt v. 9.8.2002 – 26 W 102/02, NJW-RR 2003, 140; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.11.2002 – 1 W 44/02, OLGReport Karlsruhe 2003, 225 [227]; OLG Celle v. 24.9.2002 – 2 W 57/02, NJW 2002, 3715 [3716]).

Erfolgt die behauptete Verletzung des Verfahrensgrundrechts, wie hier geltend gemacht, in der letzten in der Prozessordnung vorgesehenen Instanz und ist der Fehler entscheidungserheblich, muss die Verfahrensordnung, so das BVerfG in seiner Plenarentscheidung vom 30.4.2003 (BVerfG v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 ff.), eine eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsehen. Es ist umstritten, ob das Verfahren nach § 321a ZPO, das seinem Wortlaut nach nur für nicht berufungsfähige Urteilsentscheidungen im ersten Rechtszug gilt, auch auf andere Verfahren entspr. angewandt werden kann (Rimmelspacher, JZ 2003, 797 [798]; Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 24. Aufl. § 321a Rz 18; a.A. OLG Oldenburg v. 14.10.2002 – 11 UF 208/01, MDR 2003, 229 = FamRZ 2003, 1120 [1121];Voßkuhle, NJW 2003, 2193 [2198]). Auch der Senat schließt aus dem Gesetzgebungsverfahren zu § 321a ZPO, dass vom Gesetzgeber über den Wortlaut hinaus keine Anwendung auf Berufungsurteile gewollt war (OLG Oldenburg v. 14.10.2002 – 11 UF 208/01, MDR 2003, 229 = FamRZ 2003, 1120 [1121], m.w.N.). Somit scheidet eine entspr. Anwendung für Berufungsurteile aus.

Auch wenn bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten von Verfassungs wegen die Möglichkeit einer Abhilfe innerhalb der angerufenen Gerichtsbarkeit vorzusehen ist, kann auf den auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage entwickelten Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde nicht zurückgegriffen werden, weil diese nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit genügt. Das BVerfG hat in seiner Plenarentscheidung ausgeführt, dass die von den Fachgerichten zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügen, da Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für den Bürger erkennbar sein müssen. Zugleich hat es ausgeführt, dass die rechtsstaatlichen Defizite es ausschließen, dass das BVerfG die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde von der vorherigen erfolglosen Einlegung solcher außerordentlicher Rechtsbehelfe abhängig macht. Sola...

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