Tenor
Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 27. November 2006 auf
Erlass eines vorläufige Auslieferungshaftbefehls wird zurückgewiesen.
Die sofortige Freilassung des Verfolgten wird angeordnet.
Gründe
Die Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft kommt nach derzeitigem Sachstand nicht in Betracht, da das Festnahmeersuchen von Interpol Ankara vom 21.11.2005 nicht den formellen Voraussetzungen des Art. 16 Abs.2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 (EuAlÜbk) entspricht. Danach sind in dem Ersuchen u.a. die strafbare Handlung, deretwegen um Auslieferung ersucht werden soll, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung anzugeben. Erforderlich ist insoweit eine Umschreibung des dem Verfolgten vorgeworfenen Verhaltens, die dem Oberlandesgericht die Subsumtion unter einen Straftatbestand ermöglicht; allein die gesetzlichen Bezeichnung des Tatbestandes reicht nicht aus (vgl. Senat, Beschluss vom 16.8.2005, 1 AK 40/05; OLG Düsseldorf StV 2004, 147 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die im Festnahmeersuchen von Interpol Ankara erfolgte Tatbeschreibung
"A. wurde am 29.09.1994 vom Staatssicherheitsgericht (State Security Court) Nr. 5 in Istanbul, Az. 1004/197 Esas, entlassen. Nach seiner Entlassung hielt er seine Verbindungen mit Mitgliedern der terroristischen Organisation TKP/ML aufrecht und war weiterhin im Auftrag dieser Organisation tätig. -Im August 1995 erlangte A. auf Anweisung von B., ..., der in der Ortschaft/Landschaft [?] ... aktiv war, ein Fahrzeug und transportierte damit Mitglieder der TKP/ML von ... zu .... -Im Oktober 1995 erlangte er für 2 TKP/ML-Mitglieder, die in ... aktiv waren, Kleidung und brachte sie nach .....
-Er erlangte/transportierte im Auftrag der terroristischen Organisation TKP/ML regelmäßig Waffen, Munition, Nahrungsmittel und Kleidung für die Mitglieder der TKP/ML, welche in ... aktiv waren." nicht gerecht, weil sich hieraus nicht das Vorliegen einer auslieferungsfähigen Straftat ergibt (Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. 2006, § 16 IRG Rn.4).
Das Verhalten des Verfolgten werten die türkischen Justizbehörden selbst als Straftat der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach §§ 314 Abs.2, 62 Abs.1, 53 a,b,c,d,e, 63 des türkischen Strafgesetzbuches sowie § 5 des Gesetzes Nr. 3713 zur Bekämpfung des Terrorismus. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich aber ersichtlich um politische Straftaten, welche nach Art. 3 Abs.1 EuAlÜbk i.V.m. § 6 Abs.1 Satz 1 IRG nicht auslieferungsfähig sind. Allein der Umstand, dass der ersuchende Staat die dem Verfolgten vorgeworfene Straftat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Staatsschutzbestimmungen verfolgt, nimmt der Strafverfolgung allerdings dann nicht den Charakter kriminellen Unrechts, wenn der hinreichende Verdacht einer zurechenbaren Verletzung individueller Rechtsgüter besteht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.10.2006, 1 AK 40/05). Solche Handlungen sind der Sachverhaltsschilderung indes nicht zu entnehmen, vielmehr ergibt sich aus dieser lediglich, dass der Verfolgte im Jahre 1995 Mitglieder der terroristischen Organisation TKP/ML und für diese regelmäßig Waffen, Munition, Nahrungsmittel und Kleidung transportiert hat.
Auch die Voraussetzungen des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.1.1977 (EuTerrÜbk) liegen nicht vor. Danach gilt für die Zwecke der Auslieferung zwischen den Vertragsstaaten, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland und die Türkei gehören, eine Straftat dann nicht als politische Straftat, als eine mit einer politischen Straftat zusammenhängende Straftat oder als eine auf politischen Beweggründen beruhende Straftat, wenn bei deren Begehung eine Bombe, eine Handgranate, eine Rakete, eine automatische Schusswaffe oder ein Sprengstoffbrief oder -paket verwendet wird und dadurch Personen gefährdet werden (Art.1 e EuTerrÜbK). Auch diese Anforderungen lassen sich der Fahndungsausschreibung von Interpol Ankara vom 21.11.2005 nicht entnehmen. Weder ergibt sich hieraus hinreichend, dass der Verfolgte voll- oder halbautomatische Schusswaffen transportiert hat noch dass durch seine Handlungen überhaupt Personen gefährdet wurden. Auch ist nicht dargelegt, dass diese Handlungen zur Vorbereitung solche terroristischer Handlungen dienten (Art. 1 f EUTerrÜbK), vielmehr beschreibt die Ausschreibung die Aktivitäten der in ... im Jahre 1995 befindlichen Mitglieder der TKP/ML überhaupt nicht.
Danach bestehen aber keine zureichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer auslieferungsfähigen Straftat.
Auch sonstige Rechtsquellen geben zu keiner anderen Bewertung Anlass. Das Protokoll vom 15.5.2003 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.1.1977 (ZP-EuTerrÜbK) hat die Bundesrepublik Deutschland unabhängig von der Frage, ob sich hieraus eine andere rechtliche Beurteilung ergeben könnte, bislang nicht ratifiziert; das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regieru...