Leitsatz (amtlich)
1. Die Anerkennung von Unterhaltsurteilen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) richtet sich seit dem 18.6.2011 nach Art. 75 Abs. 2, 24 ff. EuUnthVO, wenn der anzuerkennende Titel vor dem Inkrafttreten der Verordnung nach Maßgabe der EuGVVO erlassen wurde. Zuständig ist nach § 35 Abs. 1 AUHG (2011), § 111 Nr. 8 FamFG das Familiengericht am Sitz der OLG, in dessen Bezirk der Unterhaltsschuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2. Erfolgt die Anerkennung eines Unterhaltstitels in erster Instanz irrtümlich nach Art. 38 ff. EuGVVO, ist die Beschwerde nach Art. 43 EuGVVO statthaft. Jedoch können die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts nach § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht gerügt werden. Das Beschwerdegericht entscheidet über die Anerkennung nach Maßgabe der Art. 24 ff. EuUnthVO.
3. Im Anerkennungsverfahren nach Art. 24 EuUnthVO kommt es nach Art. 22 EuUnthVO nicht auf ein anhängiges Statusverfahren im Inland an. Ziel der Unterhaltsverordnung ist allein, das im EU-Erststaat (außer Dänemark) erlassene Unterhaltsurteil rasch und effizient zu durchzusetzen. Ein gegenläufiges Statusverfahren vermag die Anerkennung des Unterhaltsurteils nach Art. 24 lit. a und c EuUnthVO nicht zu sperren.
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 01.07.2011; Aktenzeichen 2 O 230/11) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Schuldners/Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Mannheim vom 1.7.2011 - 2 O 230/11 - wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner/Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 14.238,80 EUR festgesetzt.
4. Dem Gläubiger/Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe
I. Der am ... 1998 geborene Gläubiger erstrebt die Anerkennung eines Unterhaltsurteils des Gerichts der Bezirke XVIII und XIX von Budapest vom 10.2.2009 - 10. P. XIX. 22.190/2000/106 -, berichtigt durch Beschlüsse desselben Gerichts vom 28.9.2010 und vom 13.1.2010, sowie die Erteilung der Vollstreckungsklausel. Danach ist der Schuldner/Beschwerdeführer verpflichtet, seit dem 1.10.1999 monatlichen Unterhalt i.H.v. 25.000 HUF (ca. 82 EUR), seit 1.5.2008 monatlichen Unterhalt i.H.v. 80.000 HUF (ca. 260 EUR) zu zahlen. Zudem hat das ungarische Gericht den Schuldner zur Zahlung von ausstehendem Unterhalt (bis 10.2.2009) i.H.v. 3.375.000 HUF (ca. 11.000 EUR) verurteilt.
Mit Beschluss vom 1.7.2011 hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des LG Mannheim die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach Art. 38 EuGVVO angeordnet. Gegen diesen Beschluss, der dem Schuldner am 28.7.2011 zugestellt wurde, wendet sich dieser mit seiner am 1.8.2011 eingelegten Beschwerde. Er rügt u.a. die fehlende Zuständigkeit des LG Mannheim, da die Familiengerichte zur Entscheidung über Unterhaltsansprüche zuständig seien. Er hält das Haager Unterhaltsübereinkommen (1958) für anwendbar. Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer die fehlende Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Art. 34 Nr. 2 EuGVVO) und behauptet, das Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung in Budapest sei rechtstaatswidrig durchgeführt worden und verstoße gegen den ordre public; denn seine ungarische Anwältin habe wesentlichen Sachvortrag nicht vorbringen können. Der Beschwerdegegner ist diesem Vortrag entgegengetreten und hält die EuGVVO für anwendbar, Anerkennungshindernisse seien nicht gegeben. Der Gläubiger hat das Urteil des Bezirksgerichts Budapest, Bezirke XVIII unter XIX, vom 10.2.2009 über die Feststellung der Vaterschaft des Schuldners nebst amtlicher Übersetzung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist nach § 11 AVAG, Art. 43 EuGVVO zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass das LG Mannheim verfahrensfehlerhaft seine Zuständigkeit auf Art. 38 und 39 EuGVVO gestützt hat, denn ein inkorrekter Beschluss kann mit dem Rechtsmittel angefochten werden, der gegen diesen Beschluss eröffnet ist (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., Vorbem. § 511 ZPO Rz. 10). Das ist vorliegend die Beschwerde nach Art. 43 EuGVVO.
III. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
1. Die Rüge, dass das LG Mannheim zur Erteilung der Klausel nicht zuständig gewesen und der Beschluss vom 1.7.2011 zur Klauselerteilung aufzuheben sei, greift im Ergebnis nicht durch; denn die fehlende örtliche und sachliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts kann im Beschwerdeverfahren nicht gerügt werden (§ 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
a. Die Klauselerteilung richtet sich vorliegend nicht nach Art. 38 ff. EuGVVO. Zwar gilt die EuGVVO im Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn seit dem 1.5.2004. Das vom LG Mannheim für vollstreckbar erklärte Urteil des Gerichts der Bezirke XVIII und XIX von Budapest vom 3.3.2010 - 0150-3. Vh. 5126/2009/7 - erging nach diesem Datum. Auch war zu diesem Zeitpunkt zwischen Deutschland und Ungarn das Haager Unterhaltsübereinkommen von 1956 anwendbar. Das Verhältnis dieses Übereinkommens zur EuGVVO regelt Art. 71 Abs. 2 EuGVVO. Danach sind die Verfah...