Leitsatz (amtlich)
Zur Vollstreckbarkerklärung eines tschechischen Unterhaltsurteils. Die VO (EG) Nr. 4/2009 ist im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung auch auf Alttitel anzuwenden, wenn der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 18.6.2011 gestellt wird. Zur Feststellung der Vaterschaft ohne Einholung eines serologischen Abstammungsgutachtens.
Normenkette
VO (EG) 4/2009 Art. 24; VO (EG) 4/2009; VO (EG) 4/2009 Art. 75 Abs. 2 S. 1 Buchst. a; HUP 2007 Art. 22; AUG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a, § 43
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 07.10.2011; Aktenzeichen 28 F 1914/11) |
AG Stuttgart (Beschluss vom 19.01.2011; Aktenzeichen 28 F 1914/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Beschlüsse des AG - Familiengericht - Stuttgart vom 7.10.2011 und vom 19.1.2011 (jeweils 28 F 1914/11) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 6.721 EUR
Gründe
I. Das AG hat mit Beschluss vom 7.10.2011 auf Antrag der Antragstellerin das Urteil des tschechischen Bezirksgerichts J. vom 9.3.2005 (Aktenzeichen:...) hinsichtlich des laufenden monatlichen Unterhalts (ab 1.4.2005) in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt. Mit Beschluss vom 19.10.2011 hat das AG Stuttgart das Urteil des tschechischen Bezirksgerichts J. in derselben Sache in Ergänzung seines Beschlusses vom 7.10.2011 auch hinsichtlich des rückständigen Unterhalts (für den Zeitraum vom 13.7.2001 bis 31.3.2005) in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt.
Gegen diese dem Antragsgegner am 14.10.2011 sowie am 27.10.2011 zugestellten Entscheidungen wendet sich jener mit seiner am 28.10.2011 am AG eingegangenen Beschwerde. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Antragsgegner vor, er sei nicht der Vater der Antragstellerin. Ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren hierüber sei nie durchgeführt worden. Ohne Einholung eines serologischen Gutachtens zur Feststellung der Vaterschaft sei ein ausländisches Urteil nicht anerkennungsfähig, da es gegen tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts verstoße. Darüber hinaus könne ein monatlicher Unterhalt i.H.v. 300 EUR unterhaltsrechtlich ohne entsprechende Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen nicht gefordert werden. Schließlich sei das Urteil des Bezirksgerichts nicht anerkennungsfähig, weil aufgrund des Einstellungsbeschlusses im Berufungsverfahren kein Sachurteil zur Feststellung der Vaterschaft ergangen sei.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die angefochtenen Entscheidungen. Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Auf die vorgelegten Urkunden wird verwiesen.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Anhörung. Die Beteiligten sind schriftlich angehört worden (§ 45 Abs. 1 AUG).
II.1. Die Beschwerde ist gem. Art. 75 Abs. 2 lit. a, Art. 32 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (im Folgenden: VO (EG) Nr. 4/2009) i.V.m. §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a, 43 Auslandsunterhaltsgesetz (AUG), dem Durchführungsgesetz der VO (EG) Nr. 4/2009, statthaft und zulässig. Die in den angefochtenen Entscheidungen enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrungen, die über eine Rechtsbehelfsfrist von einem Monat statt von 30 Tagen gem. § 43 Abs. 4 Nr. 1 AUG i.V.m. Art. 32 Abs. 5 VO (EG) 4/2009 belehren, haben keine Auswirkungen, da die Beschwerde auf jeden Fall fristgerecht eingelegt worden ist.
2. Wie das AG zutreffend ausgeführt hat, richtet sich die Vollstreckbarerklärung nach der VO (EG) Nr. 4/2009. Diese Verordnung ist am 18.6.2011 (Art. 76 VO (EG) Nr. 4/2009) in Kraft getreten, da das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 (HUP 2007) seit diesem Zeitpunkt in der Europäischen Gemeinschaft anwendbar ist. Gemäß Art. 75 Abs. 2 S. 1 lit. a VO (EG) Nr. 4/2009 finden die Art. 23 bis 43 auch Anwendung auf Entscheidungen, die zwar vor dem In-Kraft-Treten der VO (EG) Nr. 4/2009 ergangen sind, deren Anerkennung und Vollstreckbarerklärung aber erst nach diesem Zeitpunkt, dem 18.6.2011, beantragt wird. Das ist hier der Fall. Das mit der Vollstreckungsklausel zu versehende Urteil des tschechischen Bezirksgerichts J. ist zwar schon an 9.3.2005 erlassen, die Vollstreckbarerklärung aber erst mit Datum vom 26.9.2011 beantragt worden. Der räumliche Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 4/2009 ist ebenfalls geöffnet. Die Tschechische Republik ist zum 1.5.2004 der Europäischen Union beigetreten.
Gemäß Art. 69 Abs. 2 VO (EG) Nr. 4/2009 geht diese Verordnung dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 vor.
3. Zu Recht hat das AG das Urteil des tschechischen Bezirksgerichts in J. insgesamt (hinsichtlich des laufenden sowie des rückständigen Unterhalts) für vollstreckbar erklärt.
a) Zwar ist das Exequaturverfahren für Unterhaltstitel aus Mitgliedsländern, für die das HUP 200...