Leitsatz (amtlich)
1. Für die Eintragung eines Amtswiderspruchs genügt es, dass eine Unrichtigkeit des Grundbuchs zum Zeitpunkt der Eintragung des Amtswiderspruchs glaubhaft gemacht ist.
2. Wenn ein auf einem Grundstück lastendes Recht versehentlich gelöscht wurde, ist ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Grundstücks nur bei positiver Kenntnis des Erwerbers von der Unrichtigkeit des Grundbuchs ausgeschlossen. Wenn dem Erwerber bekannt ist, dass auf dem Grundstück Masten stehen, über die eine Stromleitung geführt wird, genügt dies ohne das Vorliegen weiterer Indizien nicht, um die positive Kenntnis des Erwerbers bezüglich einer diesbezüglichen, auf dem Grundstück lastenden Dienstbarkeit als überwiegend wahrscheinlich anzusehen.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 wird das Amtsgericht Villingen-Schwenningen - Grundbuchamt - angewiesen, die im Grundbuch von H Nr. ... in der zweiten Abteilung unter Nummern 1 und 2 am 11.07.2019 eingetragenen Widersprüche zu löschen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte Ziffer 1 wendet sich mit der Beschwerde gegen von Amts wegen eingetragene Widersprüche im Grundbuch.
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der etwa 1 Hektar großen Landwirtschaftsfläche W in H, Flst. Nr. ..., die im Grundbuch Nr. ... von H eingetragen ist. Das Grundstück war zunächst im Grundbuch von H Nr. ... unter lfd. Nr. 20 als Eigentum der Erbengemeinschaft A eingetragen. In der zweiten Abteilung des Grundbuchs waren zu Lasten des Grundstücks im Jahr 1959 eine Dienstbarkeit wegen Duldung eines Hochspannungsleitungsmasts und im Jahr 1973 ein Stromleitungs- und Mastenrecht eingetragen worden. Begünstigt war die K AG, aus der nach einem Zusammenschluss die Beteiligte Ziffer 2 hervorgegangen ist. Durch einen Auseinandersetzungsvertrag vom 17.03.2014 wurde das Eigentum an dem Grundstück - neben anderen - dem Miterben H A übertragen. Am 17.09.2014 wurde das Grundstück nach Grundbuchblatt Nr. ... - dort als lfd. Nr. 2 - übertragen. Dabei wurden die eingetragenen Belastungen versehentlich nicht übernommen bzw. lediglich für eine andere Fläche eingetragen.
Der Beschwerdeführer kaufte mit Vertrag vom 13.10.2015 das oben bezeichnete Grundstück, wobei als Belastung lediglich der mittlerweile eingetragene Zwangsversteigerungsvermerk genannt wurde; auf die Urkunde des Notariats S (Nr. ...) wird Bezug genommen. Am 27.01.2016 wurde der Beteiligte Ziffer 1 als Eigentümer, jetzt im Grundbuch Nr. ..., eingetragen.
Auf die beigezogenen Grundakten der o. g. Grundbücher wird verwiesen.
Das Grundbuchamt hat die Beteiligte Ziffer 2 mit Schreiben vom 06.06.2019 darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb erfolgt sei und eine erneute Eintragung nicht von Amts wegen erfolgen könne. Die Beteiligte Ziffer 2 verwies darauf, dass die Leitung nach wie vor bestehe und regte die Eintragung eines Widerspruchs an; auf ihre Schreiben vom 27.06. und 04.07.2019 wird verwiesen. Das Grundbuchamt kam dem nach und trug am 11.07.2019 im Grundbuch Nr. ... in der zweiten Abteilung unter Nrn. 1 und 2 zugunsten der Beteiligten Ziffer 2 Widersprüche gem. § 892 BGB gegen die am 17.09.2014 erfolgte Löschung der oben beschriebenen Dienstbarkeiten ein.
Der Beteiligte Ziffer 1 hat gegen die Eintragung Beschwerde eingelegt und beantragt, die Widersprüche zu löschen. Er trägt vor, das Grundbuch sei nicht unrichtig, da er das Grundstück gutgläubig lastenfrei erworben habe; wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 06.08.2019 und den Schriftsatz vom 14.08.2019 verwiesen. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.09.2019 nicht abgeholfen und dies damit begründet, dass ein gutgläubiger Erwerb nicht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer wohne nämlich vor Ort und habe den Grundbesitz vor dem Erwerb bewirtschaftet; es sei davon auszugehen, dass er aufgrund der weithin sichtbaren Masten die Tatsachen gekannt habe.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO lagen nicht vor.
1. Das Grundbuchamt geht zu Recht davon aus, dass eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorliegt. Auch eine nicht beabsichtigte Löschung durch die versehentlich unterbliebene Übertragung eines Rechts stellt eine Eintragung im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 GBO dar, die Grundlage für einen Amtswiderspruch sein kann (vgl. Reetz in BeckOK GBO, § 46 Rn. 81ff; Holzer in BeckOK GBO § 53 Rn. 9).
2. Durch die fehlerhafte Übertragung wurde das Grundbuch - in Form des Grundbuchblatts Nr. ... - zunächst unrichtig, weil die Dienstbarkeiten mangels eines dinglichen Rechtsgeschäfts, dass sich auf die Wirksamkeit auswirken konnte, materiell fortbestanden.
3. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs muss jedoch auch noch zum Zeitpunkt der Eintragung des Amtswiderspruchs bestehen (vgl. Holzer in BeckOK GBO, § 53 Rn. 29 m. w. N.). Da der Amtswiderspruch nur ein vorläufiges Sicherungsmittel zur Ver...