Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der Verwerflichkeitsprüfung bei einer friedlichen Blockadeaktion.
Tenor
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts U. vom 22. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts U. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Z. verurteilte den Angeklagten am 25.01.2012 wegen gemeinschaftlicher versuchter Nötigung zu der Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60 Euro. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht U. dieses Urteil am 22.07.2013 ab und erhöhte den Tagessatz auf 70 Euro. Die ebenfalls eingelegte Berufung des Angeklagten und die weitergehende Berufung der Staatsanwaltschaft verwarf es als unbegründet.
Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen fand in der Nacht vom 15.02.2011 auf den 16.02.2011 durch Bahnverkehr ein Transport von fünf Spezialbehältern mit in sog. "High Active Waste (HAW) - Glaskokillen" befindlichem radioaktivem Material - sog. Castoren - vom Gelände des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), in diesem Teil ehemals Forschungszentrum Karlsruhe, in Eggenstein-Leopoldshafen in das atomare Zwischenlager Nord bei Lubmin statt. Ungeachtet eines von der zuständigen Behörde für die Zeit vom 15.02.2011, 00.00 Uhr, bis 16.02.2011, 24.00 Uhr, mittels Allgemeinverfügung für den gesamten Schienenbereich von der Abzweigung der Stadtbahnstrecke S1/S11 Linkenheim-Hochstetten-Karlsruhe bis zum KIT Nord und für die Bahngleise der Transportstrecke sowie für den Bereich von 50 Metern beidseitig der Gleisanlagen geltenden Versammlungsverbots begab sich der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 15.02.2011 mit weiteren 37 Personen auf das Gelände des KIT Nord vor die nur 15 bis 20 Meter auseinander liegenden dortigen Tore 3 und 4, um an einer Greenpeace-Aktion teilzunehmen. Während durch Tor 4 ein Industriegleis zur stillgelegten WAK führt und hierüber auch der Castortransport geleitet werden sollte, dient die durch Tor 3 verlegte Gleisanlage ausschließlich der Beförderung der Mitarbeiter des KIT, wobei an Werktagen morgens die Straßenbahn jeweils um 7:41 Uhr und um 8:41 Uhr auf das Werkgelände gelangt. In Verfolgung seines Tatplanes, auf den Castortransport möglichst öffentlichkeits- und medienwirksam aufmerksam zu machen, kettete sich der Angeklagte - ebenso wie mindestens acht weitere Personen, die jeweils ähnliche Vorrichtungen verwendeten - gegen 5:00 Uhr mittels eines Fahrradbügelschlosses mit dem Hals am Tor 3 fest, wobei sich einer der Mittäter an beiden Flügeltoren festkettete, sodass ein Öffnen des Tores nicht mehr möglich war. Um 6:05 Uhr durchtrennten Polizeikräfte in Zusammenarbeit mit der Werksfeuerwehr des KIT das Fahrradschloss des Angeklagten mittels einer Hydraulikschere, sodass nach Durchtrennen auch der übrigen Schlösser Tor 3 wieder für die Straßenbahn passierbar wurde. Der Angeklagte beabsichtigte mit seiner Aktion, die Beförderung der Beschäftigten in das KIT, welche - wie er wusste - am Morgen des 15.02.2011 gegen 7.41 das Tor passieren würden, zumindest zu verzögern.
Die Strafkammer hat die Rechtswidrigkeit der von ihr angenommenen gemeinschaftlichen versuchten Nötigung bejaht und hierzu - lediglich - ausgeführt, dass der Angeklagte mit der Teilnahme an der Blockadeaktion zwar auch ein sachliches Anliegen - nämlich den Hinweis auf die Brisanz und Gefährlichkeit des Transportes von radioaktivem Müll - verfolgt habe, "bei einer Abwägung aller Umstände, einerseits dieses Interesses des Angeklagten an der (zwar eingeschränkten) Ausübung der Versammlungsfreiheit und Kundgebung seiner Meinung, andererseits des Umstandes, dass es sich bei dem Transport von Atommüll um die Entscheidung einer demokratisch legitimierten Regierung handelt, jedoch die versuchte Blockade einer Straßenbahn mit unbeteiligten Werksangehörigen des KIT weder erforderlich noch angemessen" gewesen sei (UA S. 8).
Mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet der Angeklagte sowohl die gerichtliche Beweiswürdigung als auch - mangels Überschreitens der strafrechtlich relevanten Bagatellschwelle - die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten als versuchte Nötigung.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge - die Verfahrensrüge ist nicht hinreichend ausgeführt - Erfolg und führt zur vollständigen Aufhebung des Urteils.
1. Entgegen der Ansicht der Revision ist die gerichtliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Soweit die Strafkammer davon ausgeht, der Angeklagte habe mit Tatvollendungsvorsatz gehandelt (zu einem Fall des Fehlens eines solchen vgl. Senat, Beschluss vom 01.06.2004 - 1 Ss 80/03 - bei [...]), ist die Beweiswürdigung weder widersprüchlich, unklar oder lückenhaft noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Die Bewertung des Tatrichters, bei der Einlassung des Angeklagten, sich vor Annäherung eines Str...