Leitsatz (amtlich)
1.
Eine das Absehen der Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigende notstandsähnliche Situation liegt vor, wenn ein Vater aus Sorge um sein verunfalltes Kind die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr überschreitet und die sofortige Hilfeleistung durch ihn zwingend erforderlich gewesen war und/oder er vom Vorliegen einer solchen Gefahrensituation ausgehen durfte (Fortführung von Senat NJW 2005, 450 ff. = DAR 2005, 46 f. = VRS 108, 39 ff. = NZV 2005, 54 ff.).
2.
Trotz Vorliegens einer solchen notstandsähnlichen Situation ist die Verhängung eines Fahrverbots geboten, wenn es sich um einen wiederholt einschlägig auffällig gewordenen, gegenüber verkehrsrechtlichen Ge- und Verboten uneinsichtigen Verkehrsteilnehmer handelt, auf den durch die Verhängung eines Fahrverbots eingewirkt werden muss.
3.
Eine Berücksichtigung von Voreintragungen im Verkehrszentralregister zum Nachteil des Betroffenen setzt voraus, dass die dort eingetragenen Verstöße vor der neu zu ahndenden Tat begangen wurden und dem Betroffenen die gegen ihn deshalb anhängigen Bußgeldverfahren auch bekannt waren.
Tenor
1.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Z. vom 06. April 2005 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Die weiter gehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Z. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Wegen fahrlässigen Überschreitens der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit setzte das Amtsgericht Z. mit Urteil vom 06.04.2005 gegen den Betroffenen eine Geldbuße von EUR 125 sowie ein einmonatiges Fahrverbots fest. Nach den getroffenen Feststellungen hatte dieser am 19.04.2004 gegen 8.06 Uhr in R. die in einer "30-km/h Zone" liegende Straße "Im B." mit einer Geschwindigkeit von 61 km/h befahren und damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h überschritten, nachdem man ihn kurz zuvor fernmündlich über einen Sturz seines an einem "Down-Syndrom" erkrankten Kindes unterrichtet und er aus Sorge um dieses bei seiner sofortigen Heimfahrt die aufgestellten Zonenbegrenzungsschilder übersehen hatte.
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Betroffene mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde, mit welchem er die Sach- und Verfahrensrüge erhebt und in erster Linie seinen Freispruch anstrebt.
II.
Der Rechtsbeschwerde kann schon auf Grund der erhobenen Sachrüge - die Verfahrensrüge ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und deshalb unzulässig - ein teilweiser und zumindest vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben.
1.
Soweit der Betroffene sich gegen den Schuldspruch wendet und seinen Freispruch anstrebt, weist das Urteil jedoch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Zurecht hat das Amtsgericht eine nach § 34 StGB zu beurteilende Notstandslage schon deshalb verneint, weil auf Grund der getroffenen Feststellungen - das Vorliegen von schweren Verletzungen des Kindes insoweit einmal unterstellt - auch ein Notarzt durch den Betroffenen hätte verständigt werden und durch diesen eine rasche und zudem aus medizinischer Sicht wirksamere Hilfe hätte erbracht werden können (vgl. BayObLG NJW 2000, 888 f.).
2.
Jedoch vermögen die bislang getroffenen Feststellungen weder die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots noch die wegen Voreintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister vorgenommene Erhöhung der Regelbuße zu tragen.
a)
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis zu drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen. Eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV liegt in der Regel vor, wenn der Tatbestand der Nr. 11.3.6 des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h ist ein dort erfasster Tatbestand, der bei Begehung der Tat innerhalb geschlossener Ortschaften - wie im vorliegenden Fall - neben einer Geldbuße von 100 Euro ein Fahrverbot von einem Monat vorsieht. Die Erfüllung dieses Tatbestandes weist auf das Vorliegen eines groben Verstoßes i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG hin, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Ausnahmsweise kann von der Anordnung abgesehen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Tat von den genannten Regelfällen zu Gunsten des Betroffenen unterscheidet und hierdurch die tatbestandsbezogene oder die rechtsfolgenbezogene Vermutung entkräftet wird. Hierfür hat der Tatrichter eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu gebe...