Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch des anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers befristet bestellten Vertreters. Rechtsanwaltsvergütung nach RVG
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirktlichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 ABs. 2 RVG.
2. Die auf die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins beschränkte, wegen Verhinderung des bereits bestellten Verteidigers notwendige Beiordnung eines (weiteren) Verteidigers ist nicht als "Einzeltätigkeit" im Sinne von Teil 4 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses anzusehen.
Normenkette
RVG § 56 Abs. 2, §§ 33, 2 Abs. 2; RVG-VV
Tenor
- Auf die Beschwerde des Verteidigers, Rechtsanwalt T., wird der Beschluss der 6. Großen Jugendkammer des Landgerichts F. vom 08. Dezember 2022 aufgehoben und der Kostenansatz des Amtsgerichts F. vom 15.10.2021 dahin abgeändert, dass zugunsten des Beschwerdeführers eine Vergütung von weiteren 213,01 Euro festgesetzt wird.
- Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Dem Beschuldigten war in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft F. mit Beschluss des Amtsgerichts - Ermittlungsrichter - F. vom 17.08.2021 Rechtsanwältin C. als Pflichtverteidigerin bestellt worden. Am 24.08.2021 erließ das Amtsgericht - Ermittlungsrichter - F. Haftbefehl gegen den Beschuldigten, aufgrund dessen er noch am selben Tag festgenommen wurde. Zu dem daraufhin anberaumten Termin zur Haftbefehlseröffnung konnte die Pflichtverteidigerin wegen Urlaubsabwesenheit nicht erscheinen, weshalb das Amtsgericht mit Beschluss vom 24.08.2021 den Beschwerdeführer, RA T., "zur Haftbefehlseröffnung" als Pflichtverteidiger bestellte, nachdem der Beschuldigte sich im Termin mit der Beiordnung des bereits anwesenden Beschwerdeführers bzw. mit einer Auswahl des Pflichtverteidigers durch das Gericht einverstanden erklärt hatte. Im Termin machte der Beschuldigte keine Angaben zur Sache. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Abschließend beantragte der Verteidiger die Aufhebung, hilfsweise die Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen geeignete Auslagen. Indes hielt das Amtsgericht den Haftbefehl aufrecht und setzte ihn in Vollzug.
Mit Schriftsatz vom 25.08.2021 beantragte Rechtsanwalt T. für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Beschuldigten, dem er "nur zur Eröffnung des Haftbefehls als Pflichtverteidiger beigeordnet" worden sei, die Festsetzung von insgesamt 474,81 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus einer Grundgebühr mit Zuschlag nach Nr. 4101 VV RVG in Höhe von 216,00 Euro, einer Terminsgebühr mit Zuschlag nach Nr. 4103 VV RVG in Höhe von 183,00 Euro und die 19%ige Mehrwertsteuer in Höhe von 75,81 Euro.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte am 15.10.2021 lediglich einen Betrag von 285,60 Euro als Vergütung fest. Für die Beiordnung zur Haftbefehlseröffnung sei lediglich eine Gebühr für eine "Einzeltätigkeit" gemäß Nr. 4310 VV RVG in Höhe von 220,00 Euro sowie die Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 Euro festsetzungsfähig - zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Gesamtbetrag von 285,00 Euro wurde an den Beschwerdeführer überwiesen.
Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Beschwerdeführer mit am 15.11.2021 beim Amtsgericht eingekommenem Schreiben das Rechtsmittel der Erinnerung ein und korrigierte zugleich seinen Festsetzungsantrag vom 25.08.2021 dahingehend, dass er zusätzlich zur Grund- und Terminsgebühr noch eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 Euro geltend machte, so dass sich zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer ein festzusetzender Gesamtbetrag von 498,62 Euro, abzüglich der bereits gezahlten 285,60 Euro mithin noch ein zu zahlender Restbetrag von 213,06 Euro ergebe.
Nach Abgabe einer Stellungnahme durch den Bezirksrevisor verwarf das Amtsgericht F. mit Beschluss vom 20.12.2021 die Erinnerung des Beschwerdeführers als unbegründet und schloss sich der sowohl von der Urkundsbeamtin als auch vom Bezirksrevisor vertretenen Auffassung an, dass dem Beschwerdeführer lediglich eine Verfahrensgebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG zustehe.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Verteidigers hat die zuständige 6. Große Jugendkammer des Landgerichts F. - nach Übertragung der Entscheidung gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auf die Kammer - mit Beschluss vom 08.12.2022 als unbegründet zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung hat das Landgericht wegen der zur Entscheidung stehenden Frage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 56...