Leitsatz (amtlich)
Üben nicht miteinander verheiratete Eltern ein paritätisches Wechselmodell aus, bedarf es auch bei gemeinsamer Sorge für die Geltendmachung von Kindesunterhalt keiner Ergänzungspflegschaft.
Verfahrensgang
AG Emmendingen (Aktenzeichen 17 F 72/23) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Mutter wird die mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Emmendingen vom 13.11.2023 angeordnete Ergänzungspflegschaft aufgehoben.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob für das Kind K. ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.
Frau M. und Herr V. sind die nicht miteinander verheiraten Eltern der K. Aufgrund Sorgeerklärung üben sie das Sorgerecht gemeinsam aus.
Der Vater ist der Auffassung, das Kind werde im Wege eines paritätischen Wechselmodells betreut. Daher sei der Kindesunterhalt quotal und abhängig vom Einkommen der Elternteile zu berechnen. Aufgrund des Wechselmodells sei kein Elternteil gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB berechtigt, den Unterhalt geltend zu machen.
Er beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 05.09.2023 beim Familiengericht Emmendingen, beiden Eltern für das Kind die elterliche Sorge zu entziehen bzgl. der Prüfung und sodann außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhalt gegenüber den Kindeseltern und insoweit Ergänzungspflegschaft anzuordnen.
Mit Verfügung vom 28.09.2023, die am 24.10.2023 versandt wurde, erhielt die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Emmendingen ordnete mit Beschluss vom 13.11.2023 für den Wirkungskreis Prüfung und außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung von Kindesunterhalt gegenüber den Kindeseltern Ergänzungspflegschaft an und bestellte Frau Rechtsanwältin F. zur Ergänzungspflegerin.
Gegen diese ihr am 17.11.2023 zugestellte Entscheidung wendet sich die Mutter mit der am selben Tag beim Amtsgericht Emmendingen eingegangenen Beschwerde.
Sie beantragt, den Beschluss aufzuheben, und trägt zur Begründung vor, das Familiengericht habe über den Antrag entschieden, ohne ihr rechtliches Gehör zu gewähren. Über ihren Antrag mit Schriftsatz vom 07.11.2023, die Stellungnahmefrist bis zum 01.12.2023 zu erstrecken, sei nicht entschieden worden. Weiterhin erfolge die Betreuung des Kindes nicht im Wege eines paritätischen Wechselmodells, vielmehr befinde sich das Kind in der Obhut der Mutter.
Der Vater beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Jugendamt und die Ergänzungspflegerin haben Stellung genommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die Beschwerde der Mutter ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf es vorliegend auch dann nicht, wenn das Kind in einem paritätischen Wechselmodell betreut werden würde.
1. Für den Fall, dass das Kind - wie von der Mutter vorgetragen - überwiegend von der Mutter betreut wird, befände sich das Kind in der Obhut der Mutter. Die Mutter könnte dann - trotz gemeinsamer elterlicher Sorge - gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB Unterhaltsansprüche im Namen des Kindes gegen den Vater geltend machen. Da die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, ist vorliegend § 1629 Abs. 3 BGB nicht einschlägig.
2. Sollte das Kind - wie vom Vater vorgetragen - in einem paritätischen Wechselmodell betreut werden, wäre hinsichtlich der gerichtlichen Geltendmachung eines Kindesunterhaltsanspruchs derjenige Elternteil vertretungsbefugt, der nicht zugleich auch in eigener Person am Verfahren beteiligt ist.
a) Der Elternteil, gegen den sich der Unterhaltsanspruch richtet, ist in dem Verfahren gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 und 2, 181 BGB - wie ein Betreuer - von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen. Nach der Regelung des § 181 BGB, die gemäß § 1824 Abs. 2 BGB unberührt bleibt, kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen. Zwar findet § 181 BGB auf Verfahrenshandlungen grundsätzlich keine direkte Anwendung. Es gilt insoweit aber der allgemein anerkannte Rechtsgedanke, dass in einem Verfahren niemand auf beiden Seiten Beteiligter sein kann. Dies wäre jedoch der Fall, wenn in einem Unterhaltsverfahren ein Elternteil auf der einen Seite als Vertreter des Kindes und auf der anderen Seite als sich selbst vertretender Beteiligter stehen würde. Durch den gesetzlichen Ausschluss der Vertretungsmacht steht die Vertretungsbefugnis für das Kind dann allein dem anderen Elternteil zu. Da die Eltern nicht verheiratet sind, besteht für diesen Elternteil keine Einschränkung der Vertretungsbefugnis aus §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 BGB (vgl. Senat vom 15.03.2024 - 5 UF 219/23; OLG Hamburg FamRZ 2024, 110, juris Rn. 6 ff.).
b) Auf...