Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Beschluss vom 28.12.2021; Aktenzeichen 2 O 518/01)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 28.12.2021, Az. 2 O 518/01, abgeändert:

a) Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26.10.2005 sind im Wege der Nachfestsetzung an Kosten von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Klägerin zu erstatten:

213,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 17.05.2021.

b) Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Beschwerde tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 2/3. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte reduziert.

I. 4. Der Wert der Beschwerde wird auf 314,63 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt mit korrigiertem Antrag vom 17.07.2021 (erster Antrag: 17.05.2021) die Nachfestsetzung von Reisekosten.

Aufgrund des Berufungsurteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26.10.2005, mit dem der Klägerin 1/13 und den Beklagten als Gesamtschuldner 12/13 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 06.12.2005 die Festsetzung ihrer Kosten. Zur Festsetzung angemeldet wurden auch Fahrtkosten ihres Prozessbevollmächtigten für die erster Instanz (Termine 22.02.2002 und 02.04.2004) und die zweite Instanz (Termin vom 28.09.2005) vom ihrem Wohnsitz zum Gericht. Die Kosten wurden mit Beschlüssen des Landgerichts Baden-Baden vom 10.02.2006 (für die 2. Instanz) und 17.03.2006 (für die erste Instanz) nach Rücknahme des für die Mutter der Klägerin beantragten Verdienstausfalls antragsgemäß festgesetzt.

Die Klägerin begründete ihren Antrag auf Nachfestsetzung damit, dass wegen der Änderung der Rechtsprechung die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten bis zur größtmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks und nicht nur, wie im Festsetzungsantrag vom 06.05.2005 zugrunde gelegt wurde, von ihrem Wohnsitz zum Gericht, erstattungsfähig seien. Daher würden die jeweiligen Differenzbeträge zur Nachfestsetzung angemeldet. Zudem werden weitere Reisekosten der Partei zum Termin am 22.02.2002 und erstmals Reisekosten der Partei zu den Terminen am 02.04.2004 und 28.09.2005 angemeldet.

Die Beklagten haben Verwirkung eingewendet.

Das Landgericht wies mit Beschluss vom 28.12.2021 den Antrag auf Nachfestsetzung zurück. Der Anspruch sei verwirkt. Dieser Einwand sei im Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die Verwirkung offensichtlich sei. Seit Abschluss des Verfahrens seien mehr als 15 Jahre vergangen. Insbesondere auch wegen des weiteren im Jahr 2016 gegen die Beklagten geführten Verfahrens hätten diese davon ausgehen dürfen, dass das vorangegangene Verfahren endgültig erledigt sei. Für eine Verwirkung spreche auch die Art der geltend gemachten Kosten. Denn es handele sich nicht um offensichtlich vergessene Gebühren, sondern um Reise- und Parteikosten, die für den Prozessgegner erheblich schwerer abzuschätzen und zu ermitteln seien. Zudem seien die Kosten überwiegend bereits geltend gemacht worden und nur aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung eine Nachfestsetzung beantragt worden. Es könne aber nicht sein, dass sich die erstattungspflichtige Partei über Jahre hinweg jeweils neuen Erstattungsansprüchen aus ein- und demselben Kostenerstattungsanspruch aufgrund einer geänderten Rechtsprechung ausgesetzt sehe. Auch die Parteikosten für den Termin vom 22.02.2002 seien bereits im ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag geltend gemacht worden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie die Nachfestsetzung weiterer 314,63 EUR im Umfang der mit Schriftsatz vom 17.07.2021 angemeldeten Kosten begehrt. Soweit Kosten noch nicht festgesetzt worden seien, könnten sie zur Nachfestsetzung angemeldet werden. Der Einwand der Verwirkung könne, weil er materiell-rechtlicher Natur sei, im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erhoben werden.

II. Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1, §§ 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. a) Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich auf die mit dem Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge. Eine Nachforderung eines bislang nicht geltend gemachten Teils bezüglich desselben Postens hindert sie grundsätzlich nicht (BGH, Beschluss vom 28.10.2010, VII ZB 15/10, juris Rn. 9; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, § 104 ZPO Rn. 139 - jeweils mwN;). Soweit Beträge nicht bereits mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts Baden-Baden vom 10.02.2006 und 17.03.2006 festgesetzt oder rechtskräftig aberkannt wurden, hindert die Rechtskraft der Kostenfestsetzungsbeschlüsse eine Nachfestsetzung nicht.

b) Der Geltendmachung steht nicht der Einwand der Verwirkung entgegen. Zwar ist der Einwand der Verwirkung im Hinblick auf die 30-jährige Verjährungsfrist für Kostenerst...

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