Leitsatz (amtlich)
Die Strafbarkeit eines Richters wegen pflichtwidriger Nichtförderung eines Strafverfahrens kommt auch nach § 258 a StGB nur in Betracht, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsbeugung nach § 339 StGB erfüllt sind.
Für die Geltung der dem Rechtsbeugungstatbestand zukommenden Sperrwirkung ist die Frage, inwieweit die zögerliche Verfahrensbearbeitung durch den Richter zum Gegenstand dienstaufsichtsrechtlicher Maßnahmen nach § 26 Abs. 2 DRiG gemacht werden kann, ohne Bedeutung.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts A. vom 17. April 2003 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft B. vom 17.12.2001 legt dem Angeschuldigten als versuchte oder vollendete Strafvereitelung im Amt in 21 Fällen zur Last, er habe als Richter der Jugendschöffengerichtsabteilung des Amtsgerichts A. in 21 Strafverfahren, die in den Jahren 1995 bis 1999 anhängig geworden seien, die Verfahren jeweils längere Zeit - teils über Jahre - nicht gefördert und dadurch entweder wissentlich bewirkt, dass der staatliche Strafanspruch zeitweise nicht habe durchgesetzt werden können, oder hierzu unmittelbar angesetzt. Zu den einzelnen dem Anklagevorwurf zu Grunde liegenden Strafverfahren werden im Anklagesatz jeweils Zeiträume genannt, in welchen die Verfahren vom Angeschuldigten nicht betrieben worden seien, wobei dem Angeschuldigten jeweils spätestens ab dem Zeitpunkt seiner letzten verfahrensfördernden Maßnahme klar gewesen sei, dass er, ohne überlastet zu sein, das Verfahren in der Folgezeit nicht weiter fördern werde, da er die jeweilige Strafsache wegen anderer aus seiner Sicht vorrangig zu bearbeitender Verfahren bewusst unbearbeitet habe lassen wollen.
Aus der Anklageschrift vom 17.12.2001 und den Verfahrensakten ergibt sich, dass von den 21 Strafsachen, die der Anklage zu Grunde liegen, im Jahr 1995 ein Verfahren, im Jahr 1996 fünf, im Jahr 1997 drei sowie in den Jahren 1998 und 1999 jeweils sechs Verfahren bei der Jugendschöffengerichtsabteilung anhängig wurden. Ausweislich der Zählkartenstatistik des Amtsgerichts A. erledigte der Angeschuldigte innerhalb des Tatzeitraums im Jahr 1995 bei 148 Neueingängen 181 Verfahren, im Jahr 1996 bei 189 Neueingängen 166 Verfahren, im Jahr 1997 bei 200 Neuverfahren 163 Strafsachen sowie im Jahr 1998 bei 247 Neuverfahren 228 Strafsachen und im Jahr 1999 bei 210 Neueingängen 210 Verfahren. Nicht älter als drei Monate waren von den insgesamt erledigten Sachen im Jahr 1995 51,4%, im Jahr 1996 57,8%, im Jahr 1997 55,8% sowie im Jahr 1998 56,1% und im Jahr 1999 58,1%. Im Jahr 2000 standen 163 Neueingängen 208 erledigte Verfahren gegenüber, wovon die Hälfte nicht länger als drei Monate anhängig war.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht A. die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. Die Strafkammer ist u.a. der Auffassung, dass eine Strafbarkeit des Angeschuldigten gem. §§ 258a, 258 StGB schon wegen der Sperrwirkung ausscheide, welche dem durch das Verhalten des Angeschuldigten nicht verwirklichten Tatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 StGB zukomme. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
II.
Das Landgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Recht aus rechtlichen Gründen abgelehnt, weil das dem Angeschuldigten in der Anklage der Staatsanwaltschaft B. vom 17.12.2001 angelastete Verhalten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsbeugung gem. § 339 StGB erfüllt (II. 2.) und die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestandes einer Strafbarkeit des Angeschuldigten nach anderen Strafvorschriften entgegensteht (II. 1.).
1.
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft findet die dem Rechtsbeugungstatbestand zukommende Sperrwirkung auf die hier angeklagte Sachverhaltskonstellation uneingeschränkt Anwendung.
a)
Nicht jede unrichtige Rechtsanwendung stellt eine Beugung des Rechts im Sinne des § 339 StGB dar. Nur der Rechtsbruch als elementarer Verstoß gegen die Rechtspflege soll unter Strafe gestellt werden. Rechtsbeugung begeht daher nur der Amtsträger, der sich bewusst und in schwer wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Selbst die (bloße) Unvertretbarkeit einer Entscheidung begründet eine Rechtsbeugung nicht (ständige Rspr. des BGH; vgl. nur BGH NStZ 2001, 651; NStZ-RR 2001, 243 m. w. N; vgl. auch Senat NStZ 2001, 112).
Diese im Begriff der Beugung des Rechts angelegte Einschränkung des Tatbestands des § 339 StGB trägt zum Einen dem Bedürfnis Rechnung, Sachverhalte auszugrenzen, die mit dem Verbrechensverdikt des § 339 StGB überbewertet wären (vgl. BGHSt 41, 247, 251; 38, 381, 383),und dient der Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit (BGHSt 10, 294, 298; BGH NStZ 2001, 651, 652), indem sie eine grundleg...