Leitsatz (amtlich)
Das Recht eines Untersuchungsgefangenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuweisung eines bestimmten Haftraumes ist grundsätzlich jedenfalls nach Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller von der einschlägigen Rechtslage hätte Kenntnis erlangen und gegen die Maßnahme der Vollzugsanstalt vorgehen können, verwirkt.
Tenor
Der Antrag des R. E. auf gerichtliche Entscheidung wird kostenpflichtig als unzulässig zurückgewiesen.
Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird auf 1500 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller war vom 15.02.2003 bis zum 28.10.2003 als Untersuchungsgefangener in der Justizvollzugsanstalt O. inhaftiert. Mit am 11.5.2004 eingekommenem Schreiben beantragt er, im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG festzustellen, dass die Unterbringung in einem mit einer Sichtblende am Fenster ausgestatteten und zudem mit einem weiteren Gefangenen belegten Haftraum rechtswidrig war. Außerdem hat er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Seinem Begehren kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil das Rechtsmittel unzulässig ist.
Soweit sich der Antragsteller gegen die Unterbringung in einer mit einem mit Sichtblende versehenen Fenster ausgestatteten Zelle wendet, ist zwar grundsätzlich der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG eröffnet. Denn bei der Zuweisung eines Haftraums handelt es sich um einen sogenannten Realakt, der mit Außenwirkung die Angelegenheiten des Untersuchungsgefangenen regelt und somit einen nach §§ 23 EGGVG anfechtbaren belastenden Verwaltungsakt darstellt (vgl. KK-Schoreit zu § 23 EGGVG Rn 21, 104; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843 f. m.w.N. zu § 109 StVollzG). Auch steht die Subsidiarität des Rechtswegs nach §§ 23 ff EGGVG (vgl. § 23 Abs. 3 EGGVG) einer Überprüfung nicht entgegen, da die Unterbringung des Betroffenen in einem Haftraum mit für die gesamte Anstalt geltenden baulichen Besonderheiten nicht der Anordnungskompetenz des Haftrichters unterfällt (vgl. KG JR 1979, 519 f.; Senat Justiz 2004, 302; KK-Boujong zu § 119 StPO Rn 103; LR-Hilger zu § 119 StPO Rn 161; Cassardt NStZ 1994, 523, 524). Doch ist der Antrag deshalb unzulässig, weil der Antragsteller sein Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der - nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft erledigten - Maßnahme verwirkt hat.
Allerdings lässt die mit der Beendigung der Unterbringungssituation eingetretene Erledigung einer Maßnahme ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit (§ 28 Abs.1 Satz 2 EGGVG) nicht entfallen. Steht die Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) oder eine andere tief greifende Grundrechtsverletzung in Frage, so muss wegen der fortwirkenden diskriminierenden Wirkung der Maßnahme ein Rechtsschutzbegehren zur nachträglichen gerichtlichen Überprüfung zulässig sein. Dies gilt auch, wenn der Beschwerdeführer in angemessener Zeit vor Erledigung der Maßnahmen Rechtschutz hätte erlangen können (BVerfG StV 2002, 661 f; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843, 2844 f). Auch war die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG vorliegend nicht in Gang gesetzt, da die Zuweisung des Haftraums dem Antragsteller nicht schriftlich bekannt gemacht wurde (Thür.OLG ZfStrVO 2003, 306, 308; Kissel, GVG, zu § 26 EGGVG Rn 3; Meyer-Goßner zu § 26 EGGVG Rn 4; OLG Frankfurt NJW 2003, 2843 f. zu § 112 Abs. 1 StVollzG). Doch gibt dies dem Antragsteller nicht das Recht, zeitlich unbeschränkt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer während der Dauer der Untersuchungshaft getroffenen Maßnahme zu begehren. Dabei kann dahinstehen, ob ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der Haftraumzuweisung in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 3 EGGVG als unzulässig anzusehen ist (so OLG Frankfurt NJW 2003, 2843 f.; NStZ-RR 2004, 29 f.; a.A. Thür.OLG ZfStrVO 2003, 306, 308). Denn jedenfalls tritt binnen eines Jahres, nachdem der Antragsteller spätestens von der einschlägigen Rechtslage hätte Kenntnis erlangen und gegen die Maßnahme rechtlich hätte vorgehen können, grundsätzlich eine Verwirkung des Antragsrechts ein (Thür.OLG ZfStrVO 2003, 306, 308 f; OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 29 f.). Dem Rechtsinstitut der Verwirkung liegt - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 32, 305= NJW 1972, 675 f.) - der Gedanke der Rechtsicherheit zugrunde, wonach die Frage der Rechtswidrigkeit von Maßnahmen nicht auf längere, unbestimmte Dauer ungeklärt bleiben darf, sondern in angemessener Zeit einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden sollte. Dies gilt zumal bei den im Vollzug der Untersuchungshaft angeordneten so genannten Realakten, die grundsätzlich dann, wenn der Antragsteller gegenüber der Anstalt keine Einwendungen erhebt, nicht schriftlich bekannt gegeben werden, so dass - letztendlich auch deshalb, weil der Antragsteller der Justizvollzugsanstalt keinen Anlass gegeben hat, die Maßnahme zu überprüfen - die Rechtsmittelfrist (§ 26 Abs. 1 EGGVG) nicht in Gang gesetzt wird.
Nach diesen Grundsätzen h...