Leitsatz (amtlich)

Bezeichnet eine Partei ohne Bezug zum Gegenstand eines Gutachtens den Sachverständigen als Lobbyisten der Tabakindustrie, so begründet es nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen, wenn dieser erklärt, er werde sich gegen eine solche Behauptung (auch) außerhalb des Gerichtssaals zu wehr setzen.

 

Normenkette

ZPO § 406

 

Verfahrensgang

LG Baden-Baden (Beschluss vom 21.06.2013; Aktenzeichen 4 O 58/12)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Baden-Baden vom 21.6.2013 - 4 O 58/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf EUR 7.633,33 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich dagegen, dass das LG ein gegen einen medizinischen Sachverständigen gerichtetes Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen hat.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Vorfalls vom 5.12.2009 auf Leistung aus einer privaten Unfallversicherung in Anspruch. Mit Beschluss vom 30.8.2012 ordnete das LG die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. Dr. K u.a. über die geltend gemachten Unfallfolgen und eine etwaige unfallunabhängige Vorschädigung an. Nachdem der Sachverständige zunächst ein schriftliches Gutachten erstattet und dies auf Einwendungen des Klägers ergänzt hatte, fand am 28.3.2013 eine Anhörung des Gutachters statt. Nach Anhörung des Sachverständigen erklärte der Kläger ausweislich des Protokolls

"dass er sich vom Sachverständigen nicht ausreichend begutachtet fühlt. Insofern seien bereits die Apparaturen dort deutlich weniger modern als bei Herrn Dr. M. Im Übrigen sei der Sachverständige Lobbyist der Tabakindustrie gewesen und deshalb könne er sich von diesem nicht begutachten lassen".

Der Einzelrichter des LG beauftragte den Sachverständigen nach dem Termin, sich in einem Ergänzungsgutachten zu dem vom Kläger eingereichten Privatgutachten Dr. M zu äußern. Das Ergänzungsgutachten enthält nach Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten folgende Schlussbemerkung:

"Des Weiteren behauptet der Kläger, dass ich Lobbyist der Tabakindustrie gewesen sei. Deswegen könne er sich von mir nicht begutachten lassen.

Hierzu ist festzustellen, dass ich zu keiner Zeit Ansichten oder Interessen der Tabakindustrie vertreten habe. In meinen Publikationen und insbesondere auch meinen Begutachtungen zu bronchopulmonalen Erkrankungen habe ich vielfach auf die gravierenden gesundheitsschädigenden Wirkungen des Aktivrauchens hingewiesen. Dabei lege ich durchweg gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde.

Bei Aufrechterhaltung der Behauptung, ich sei Lobbyist der Tabakindustrie gewesen, behalte ich mir ausdrücklich rechtliche Schritte gegenüber demjenigen vor, welcher diese Äußerungen macht."

Wegen der Schlussbemerkung in dem Ergänzungsgutachten lehnte der Kläger den Sachverständigen mit Schriftsatz vom 29.4.2013 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Sachverständige gehe in seiner ergänzenden Stellungnahme in einer solch aggressiven Form auf die Äußerung des Klägers ein, dass bei ihm ein berechtigtes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen entstehe. Wenn ein Gutachter im Zusammenhang mit der Beantwortung einer medizinischen Beweisfrage aufgrund einer Kritik eine Unterlassungsklage androhe, mache er nicht nur subjektiv deutlich, dass er die Beweisfrage nicht objektiv und frei von Vorurteilen gegenüber der zu begutachtenden Person beurteile. Die Behauptung, der Sachverständige sei als Lobbyist für die Tabakindustrie tätig gewesen, sei auch nicht aus der Luft gegriffen. In der Wissenschaft werde dem Gutachter - wie zwei Internetfundstellen zeigten - tatsächlich eine nicht unerhebliche Nähe zur Tabakindustrie nachgesagt.

Auf Aufforderung des LG nahm der Sachverständige am 9.5.2013 zu dem Befangenheitsgesuch Stellung. Er setzte sich dabei insbesondere mit den von der Klägerseite angeführten Literaturstellen aus dem Internet auseinander. Ferner heißt es in der Stellungnahme:

"Die durch den Kläger in der mündlichen Verhandlung ins Blaue hinein abgegebene Bemerkung beruht wahrscheinlich auf unzureichenden Informationen. Ich hoffe, dass ich durch meine Stellungnahme mehr Licht in den Sachverhalt bringen konnte.

Durch derartige Diffamierungen sehe ich dennoch meine Integrität als Arzt, Wissenschaftler und medizinischer Gutachter in erheblichem Maße verletzt. Hiergegen setze ich mich gegenüber jedermann mit allen geeigneten Mitteln außerhalb des Gerichtssaales zur Wehr. Den Sachverhalt der Befangenheit im laufenden Verfahren vor dem LG vermag ich dadurch nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Nur durch entschiedenes konsequentes Entgegengetreten ist es möglich, meinen guten Leumund und meine Glaubwürdigkeit als medizinischer Gutachter zu bewahren."

In seiner Stellungnahme zu der Äußerung des Sachverständigen vertrat der Kläger die Auffassung, der Gutachter scheine mehr Energie in die Verteidigung seines Rufes als die Begutachtung des Klägers zu stecken. Zudem habe der Sachverständige seine Drohung geg...

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